Samstag, 3. Oktober 2015

So schwer ist die Transzendentalphilosophie gar nicht.

Jean Tinguely, Heureka

So sehr schwer ist die Transzendentalphilosophie wirklich nicht; jedenfalls nicht mehr in ihrer von Fichte radikalisierten Gestalt. Sie ist konsequente Reflexionsphilosophie, da hatte Hegel, wenn er es auch abfällig meinte, Recht. Aber das ist nicht an sich eine Schwierigkeit. Dass es nicht dasselbe ist, ob ich X denke, oder ob ich denke, dass ich X denke, kann schon ein Schulbub einsehen. Nur wird er es bald wieder vergessen, weil er in seinem Leben kaum etwas damit anfangen kann. Die Transzendentalphilosophie mutet ihrem Studenten aber an, damit unablässig immer und immer wieder anzufangen. Ich denke X; er meint, dass ich X denke; ich weiß, dass er meint, dass ich X denke - und so ins Unendliche fort.

Nicht die Operation selbst ist schwierig, sondern schwierig ist, die semantischen Ebenen – 'Reflexionsstufen' – auf Schritt und Tritt auseinander zu halten. Das erfordert Konzentration auch dort, wo eigentlich nur Routine-operationen geschehen; es ist, als ob man in einer mathematischen Gleichung eine Klammer übersieht: Auf einmal stimmt gar nichts mehr.

Fleiß und Konzentration, das erwartet einen beim Rechnen. Ist aber beim Philosophieren nicht gerade leben-diges Vorstellen nötig?

Und das macht die Transzendentalphilosophie schwierig: Ihr Verfahren ist pedantisch, doch ihr Gegenstand ist die Tätigkeit der landläufig so genannten Phantasie, die hier aber produktive Einbildungskraft heißt. Und das ist der Clou: Sinn und Zweck des Verfahrens ist, unter den Begriffen und deren pedantischen Verknüpfungen die lebendigen Vorstellungen freizulegen, aus denen sie abstrahiert wurden. Das Vorstellen ist anstrengend, aber belebend, wenn es einem gelingt. Das Immerundimmerreflektieren ist strapaziös und ermüdend; darum gelingt es manchmal nicht, und dann muss man wieder von vorn anfangen.



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