Mittwoch, 26. Februar 2014

Das Ich "konstituiert" sich nicht.


lichtkunst.73, pixelio.de

Anlässlich des zweihundertsten Todestages von Fichte wurde an der Berliner Humboldt-Universität von einer "Aktualität der Wissenschaftslehre" geredet. In den Eingangsbeiträgen ging es darum, wie weit sich gegen- wärtige Diskussionen zwischen amerikanischen 'Analytikern' und 'Pragmatisten' der Fichteschen Lehre von der Konstituierung des Ich annäherten. Ganz einig waren sich die beiden Referenten nicht, aber es wurde auch nicht recht klar, wo genau die verbleibenden Differenzen zu Fichte liegen.

Auf dem Weg, den sie eingeschlagen hatten, konnten sie sich freilich weder einigen noch Klarheit schaffen. Denn in der Wissenschaftslehre "konstituiert" sich das Ich überhaupt nicht. Nämlich nicht so, dass es nach dem Konstitutionsakt "ist" und bleibt (dann würde es Substanz). Das transzendentale Ich ist nicht, sondern wird lediglich gedacht als Subjekt-Objekt der grundlegenden 'Tathandlung'. Real ist allein die Tätigkeit, nur sie gibt Anschaung und Empfindung, ein Ich wird nicht sichtbar noch fühlbar, es wird nicht erfahren, sondern "erscheint" lediglich der von Fichte so genannten 'intellektuellen Anschuung' im Vollzug der Handlung selbst - und dies nicht 'von allein', sondern als Akt freier Willkür - und wird ausdrücklich nur "dem Philosophen" zugemutet.* Das transzendentale Ich ist kein Realgrund, sondern lediglich Erklärungsgrund für ein tatsäch- liches Handeln.

Doch auch "als Idee" wird sich das Ich nie und nimmer konstituieren. Denn als Idee ist es lediglich das Vernunftwesen, das nie etwas anderes ist als vernünftig, und insofern ein Ideal, das nie erreicht werden wird und an das man sich lediglich "unendlich" annähern kann (ob oder inwiefern man das aber soll, ist wiederum ein Problem).

Und ob sich die Formulierung, wonach ein Ich sich "konstituiert", für die Beschreibung der empirischen, historischen Person eignet, hätten Psychologen und Neurowissenschaftler ohne Beteiligung der Philsophie unter sich auszumachen.

*) Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I, 5. Abschnitt, S. 463



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