Mittwoch, 16. Juli 2014

Vernunft ist nur möglich, weil meine Vernunft die Vernunft der Andern voraussetzt.


RainerSturm  / pixelio.de  
 
§ 3. Zweiter Lehrsatz

Das endliche Vernunftwesen kann eine freie Wirksamkeit in der Sinnenwelt sich nicht zuschreiben, ohne sie auch anderen zuzuschreiben, mithin auch andere endliche Vernunftwesen ausser sich anzunehmen. 


Beweis

I.                  

a. Das vernünftige Wesen kann, nach dem §1. geführten Beweise, kein Object setzen (wahrnehmen und begreifen), ohne zugleich, in derselben ungetheilten Synthesis, sich eine Wirksamkeit zuzuschreiben.

b. Aber es kann sich keine Wirksamkeit zuschreiben, ohne ein Object, auf welches diese Wirksamkeit gehen soll, gesetzt zu haben. Das Setzen dieses Objects, als eines durch sich selbst bestimmten, und insofern die freie Tätigkeit des vernünftigen Wesens hemmenden, muss in einem vorhergehenden Zeitpunct gesetzt werden, durch welchen allein derjenige Zeitpunct, in welchem der Begriff der Wirksamkeit gefasst wird, der gegenwärtige wird.

c. Alles Begreifen ist durch Setzen der Wirksamkeit des Vernunftwesens; und alle Wirksamkeit ist durch eine vorhergegangenes Begreifen desselben gedingt. Also ist jeder mögliche Moment des Bewusstseyns, durch einen vorhergehenden Moment desselben, bedingt, und das Bewusstseyn wird in der Erklärung der Möglichkeit schon als wirklich vorausgesetzt. Es lässt sich überhaupt nur durch einen Cirkel erklären; es lässt sich sonach überhaupt nicht erklären, und scheint unmöglich. ...

__________________________________________________________
Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 30





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen