Diese Vorstellung vom inneren Wirken kommt im Bewusst-/sein vor als etwas zwischen Gefühl und Ge- danken Schwebendes, man könnte es nennen ein intelligibles Gefühl. Wenn die Einbildungskraft sich selbst überlassen bleibt, so schweift sie herum, und es kostet innere Anstrengung, sie zu binden.
Dieses Aktes, des Bindens, werde ich mir unmittelbar bewusst, indem ich ihn vollziehe, und hierdurch lässt sich die intelligible Welt an die Welt der Erscheinungen anknüpfen. Was in diesem Gefühle vorkommt, ist die erste innere Kraft, man könnte sie reine Kraft, Kraft auf sich selbst nennen. Sie ist Wirkung des Vernunftwesens auf sich selbst.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 126f.
Nota I. - Das ist eine der wichtigsten Stellen in der ganzen Wissenschaftslehre.
Wenn man von dem metaphysischen Dogma von den zwei Substanzen, einer res extensa und einer res cogitans ausginge, wäre das ein atemberaubendes Kunststück: Wie stellt es die res extensa an, in die res cogitans vor- zudringen? Doch in der Wissenschaftslehre, die den Gang des Bewusstseins zuerst rein phänomenal verfolgt, wurde eine solche Voraussetzung nicht gemacht. (Ihr Gegenstand ist die Vorstellung, und dortkam sie bislang nicht vor.)
Das Faktum der Konzentration unserer Aufmerksamkeit - denn davon ist hier die Rede - lässst sich nicht leug- nen, ob man es nun erklären kann oder nicht. Aufmerken ist reflektieren und abstrahieren in Einem. Der ele- mentarste Bewusstseinsakt ist: auf mein Gefühl achtgeben. Es ist die Stelle, wo ein empirisches Selbst zu einem vernünftigen Ich wird.
Nota II. - Dass er im Moment akuter Gefahr alle Aufmerksamkeit darauf konzentriert und selbst Schmerzen unter Umständen gar nicht 'merkt', unterscheidet den Menschen nicht vom Tier: Dem geht's nicht anders; sondern dass er sein Aufmerken will kürlich richten kann. Das ist die Grundform von Wollen, und Wollen ist die Substanz von Geist. (Geist sieht nicht auf Dinge ab, sondern auf Probleme.)
Nota III. - Sagen wir genauer: Im Aufmerken entstehen sinnliche und intelligible Welt. Vor dem Aufmerken ist nichts, nämlich nichts für das Bewusstsein, denn ohne Aufmerken ist kein Bewusstsein. Im Aufmerken entste- hen gleichermaßen das und was?. Aufmerken ist fragen. Der Mensch ist nicht, wie das Tier, eins mit seiner na- türlichen Umwelt, sondern steht fragend in einer fremden Welt, die er, indem er in sie wirkt, sich fortschreitend ent fremdet und intelligibel macht.
Das ist ein anthropologischer Befund, der den Ausgangspunkt der Wissenschaftslehre ausmacht.
JE
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