Donnerstag, 30. Mai 2019

Die Stelle, wo die Wissenschaftslehre in die Sinnenwelt übertritt.

 
Die WL erzählt die pragmatische Geschichte davon, wie die Vernunft in die Welt gekommen ist.

Was ist die Vernunft? Die intelligible Welt - Vernünftigkeit ist die Teilhabe daran. 

Nur als intelligible ist uns eine Welt 'gegeben': als Datum unserer Vorstellungen. – Die Daten, die unsere Sinneszellen als Gefühl vermelden, werden in der Anschauung zum Bild. Die Anleitung, wie dieses Bild in der Vorstellung ohne Beihilfe der Sinnlichkeit wiederherzustellen ist, ist der Begriff. Im Begriff werden die sinnli- chen Dinge intelligibel. Nichtsinnliche Begriffe sind Noumena, sie sind intelligibel apriori = Weil sie nur intel- ligibel sind, sind sie apriori. Nehme ich die intelligible Welt als gegeben und nicht als gemacht - das tut der Dogmatiker -, ist alles apriori.  

Die WL betrachtet die wirkliche Vorstellungstätigkeit der Menschen unter der Fragestellung, wie daraus eine Welt entstehen konnte, in der die Intelligenzen miteinander verkehren können: wie ein System von Begriffen möglich ist. Sie führt die vorstellende Tätigkeit auf ihren Ausgangspunkt ('Tathandlung') zurück, um von dort aus "vor unseren Augen" die intelligible Welt zu rekonstruieren. Sie ist die Vorgeschichte der Vernunft.

Das ist der transzendentale Teil der Wissenschaft = Philosophie.

Die reale Geschichte der Vernunft beginnt mit der intelligiblen Welt selbst: in dem Moment, wo historische Individuen zu Vernunftwesen werden. Dies geschieht erst in dem Akt ihrer Begegnung und ihrer wechselseitigen Anerkennung als Freie. Da sie es taten, muss man ihnen das Vermögen zusprechen, dass sie es konnten.

Die Versammlung einer 'Reihe vernünftiger Wesen', die Bildung einer intelligiblen Welt und die Entstehung der Vernunft sind dasselbe.

24. 7. 15 


Dass die Vernunft historisch wurde, bedeutet nichts anderes, als dass sie real wurde. Dass die Reihe vernünftiger Wesen real wurde, bedeutet nichts anderes, als dass sie historisch geworden sind. 

Die Stelle, an der in der Wissenschaftslehre an das bis dahin lediglich vorstellend 'real-tätige' Ich seitens der Reihe vernünftiger Wesen die pp. Aufforderung ergeht, gleich ihnen reale Zwecke zu setzen, ist der Punkt, wo in das Sys- tem die Sinnenwelt hineinkommt.

Man möchte sagen, bis dahin hätten sich die Fortschritte des bestimmenden Vermögens lediglich im intelligiblen Reich zugetragen; aber das wäre schief, denn eine solche Unterscheidung war bislang noch gar nicht zu treffen. Das Gefühl, das dem soeben sich setzenden Ich die Gegenständlichkeit des NichtIch verbürgt, wird in der An- schauung - der ursprünglichsten Reflexion und ergo idealen Tätigkeit - bestimmt als der auf eine primäre reale Tä- tigkeit des Ich erfolgende Widerstand. Doch erst noch ist von Tätigkeit-überhaupt die Rede, unbestimmter Tätig- keit, die als unbestimmte unmöglich sinnlich sein kann - doch darum noch lange nicht als intelligibel bestimmt ist.

Man kann es gar nicht dick genug unterstreichen: Mit der Aufforderung durch die Reihe vernünftiger Wesen tritt die Wissenschaftslehre über in die historisch gegebene Welt von Raum und Zeit.
JE



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