minoisch; Akrotiri
Keines dieser beiden Systeme kann das entgegengesetzte direct widerlegen: denn ihr Streit ist ein Streit über das erste, nicht weiter abzuleitende Princip; jedes von beiden widerlegt, wenn ihm nur das seinige zugestanden wird, das des anderen; jedes läugnet dem entgegengesetzten alles ab, und sie haben gar keinen Punct gemein, von welchem aus sie sich einander gegenseitig verständigen und sich vereinigen könnten. Wenn sie auch über die Worte eines Satzes einig zu seyn scheinen, so nimmt jedes sie in einem anderen Sinne. /
Keines dieser beiden Systeme kann das entgegengesetzte direct widerlegen: denn ihr Streit ist ein Streit über das erste, nicht weiter abzuleitende Princip; jedes von beiden widerlegt, wenn ihm nur das seinige zugestanden wird, das des anderen; jedes läugnet dem entgegengesetzten alles ab, und sie haben gar keinen Punct gemein, von welchem aus sie sich einander gegenseitig verständigen und sich vereinigen könnten. Wenn sie auch über die Worte eines Satzes einig zu seyn scheinen, so nimmt jedes sie in einem anderen Sinne. /
Zuvörderst der Idealismus kann den Dogmatismus nicht widerlegen. Der erstere zwar hat, wie wir gesehen haben, das vor dem letzteren voraus, dass er seinen Erklärungsgrund der Erfahrung, die freihandelnde Intelligenz, im Bewusstseyn nachzuweisen vermag. Das Factum, als solches, muss ihm auch der Dogmatiker zugeben: denn ausserdem macht er sich aller ferneren Unterhandlung mit ihm unfähig; aber er verwandelt es durch eine richtige Folgerung aus seinem Princip in Schein und Täuschung, und macht es dadurch untauglich zum Erklärungsgrunde eines anderen, da es in seiner Philosophie sich selbst nicht behaupten kann.
Nach ihm ist alles, was in unserem Bewusstseyn vorkommt, Product eines Dinges an sich, sonach auch unsere vermeinten Bestimmungen durch Freiheit, mit der Meinung selbst, dass wir frei seyen. Diese Meinung wird durch die Einwirkung des Dinges in uns hervorgebracht, und die Bestimmungen, die wir von unserer Freiheit ableiten, werden gleichfalls dadurch hervorgebracht: nur wissen wir das nicht, darum schreiben wir sie keiner Ursache, also der Freiheit zu. Jeder consequente Dogmatiker ist nothwendig Fatalist; er läugnet nicht das Factum des Bewusstseyns, dass wir uns für frei halten: denn dies wäre vernunftwidrig; aber er erweist aus seinem Princip die Falschheit dieser Aussage. /
– Er läugnet die Selbstständigkeit des Ich, auf welche der Idealist bauet, gänzlich ab, und macht dasselbe lediglich zu einem Producte der Dinge, zu einem Accidens der Welt; der consequente Dogmatiker ist nothwendig auch Materialist. Nur aus dem Postulate der Freiheit und Selbstständigkeit des Ich könnte er widerlegt werden; aber gerade das ist es, was er läugnet.
Ebensowenig kann der Dogmatiker den Idealisten widerlegen.
Das Princip desselben, das Ding an sich, ist
nichts, und hat, wie der Vertheidiger desselben selbst zugehen muss,
keine Realität, ausser diejenige, die es dadurch erhalten soll, dass nur
aus ihm die Erfahrung sich erklären lasse. Diesen Beweis vernichtet der
Idealist dadurch, dass er die Erfahrung auf andere Weise erklärt, also
gerade dasjenige, worauf der Dogmatismus baut, abläugnet. Das Ding an
sich wird zur völligen Chimäre; es zeigt sich, gar kein Grund mehr,
warum man eins annehmen sollte; und mit ihm fallt das ganze dogmatische
Gebäude zusammen.
Aus dem gesagten ergiebt sich zugleich die
absolute Unverträglichkeit beider Systeme, indem das, was aus dem einen
folgt, die Folgerungen aus dem zweiten aufhebt; sonach die nothwendige
Inconsequenz ihrer Vermischung zu Einem. Allenthalben, wo so etwas
versucht wird, passen die Glieder nicht aneinander, und es entsteht
irgendwo eine ungeheure Lücke. – Die Möglichkeit einer solchen
Zusammensetzung, die einen stätigen Uebergang von der Materie zum
Geiste, oder umgekehrt, oder, was ganz dasselbe heisst, einen stätigen
Uebergang von der Nothwendigkeit zur Freiheit, müsste derjenige
nachweisen, der das soeben behauptete in Anspruch nehmen wollte.
Da, soviel wir bis jetzt einsehen, in speculativer
Rücksicht beide Systeme von gleichem Werthe zu seyn scheinen, beide
nicht beisammen stehen, aber auch keines von beiden etwas gegen das
andere ausrichten kann, so ist es eine interessante Frage, was wohl
denjenigen, der dieses einsieht – und es ist ja so leicht einzusehen, –
bewegen möge, das eine dem anderen vorzuziehen, und wie es komme, dass
nicht der Skepticismus, / als gänzliche Verzichtleistung auf die Beantwortung des aufgegebenen. Problems, allgemein werde.
Der Streit zwischen dem Idealisten und Dogmatiker
ist eigentlich der, ob der Selbstständigkeit des Ich die
Selbstständigkeit des Dinges, oder umgekehrt, der Selbstständigkeit des
Dinges die lies Ich aufgeopfert werden solle. Was ist es denn nun, das
einen vernünftigen Menschen treibt, sich vorzüglich für das Eine von
beiden zu erklären?
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Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I, S. 429ff.
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Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I, S. 429ff.
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