M. Großmann / pixelio.de
Der in der Grundlage beschriebene Widerstreit entgegengesetzter
Richtungen der Thätigkeit des Ich ist etwas im Ich unterscheidbares. Er
soll, so gewiss er im Ich ist, durch das Ich im Ich gesetzt; er muss
demnach zuvörderst unterschieden werden. Das Ich setzt ihn, heisst
zuvörderst: es setzt denselben sich entgegen.
Es ist bis jetzt, d.h. auf diesem Puncte der
Reflexion, im Ich noch gar nichts gesetzt; es ist nichts in demselben,
als was ihm ursprünglich zukommt, reine Thätigkeit. Das Ich setzt
etwas sich entgegen, heisst also hier nichts weiter, und kann hier
nichts weiter heissen, als: es setzt etwas nicht als reine Thätigkeit.
So wurde demnach jener Zustand des Ich im Widerstreite gesetzt, als das
Gegentheil der reinen, als gemischte, sich selbst widerstreben- de und
sich selbst vernichtende Thätigkeit. – Die jetzt aufgezeigte Handlung
des Ich ist bloss antithetisch.
...
Aber
es wurde schon in der Grundlage erinnert, dass, wenn der Widerstreit je
im Ich gesetzt werden und aus demselbem etwas weiteres folgen solle,
durch das bloße Setzen der Widerstreit als solcher das Schweben der Einbildungskraft zwischen den Ent-/gegegengesetzten aufhören, dennoch aber die Spur desselben als ein Etwas, als ein möglicher Stoff übrigbleiben müsse.
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Grundriss des Eigenthümlichen der Wissenschaftslehre, in Rücksicht auf das theoretische Vermögen, SW I, S. 335f.
Nota. - Das Ich ist im ersten Gang der Wissenschaftslehre zurückgeführt worden auf reine Tätigkeit. Sie wird ihrerseits zurückgeführt werden auf ein reines Wollen, doch das spielt hier schon keine Rolle mehr. Was immer das Ich also außer sich und gar sich entgegen setzen mag, kann in jedem Fall nur sein: keine reine Tätigkeit. Nicht-Tätigkeit wäre zu viel: Denn das wäre die Auslöschung des Ich, und es bliebe nichts. Es muss also die reine Tätig- keit sich in sich selbst unterscheiden. Es ergeben sich zwei Tätigkeiten, die einander aufwiegen - nicht nichts, sondern ein Schweben. Soll daraus etwas folgen - und das soll es, denn es soll ja die Wirklichkeit der Vernunft re-konstruiert werden -, muss als "Spur" ein unerledigter Rest bleiben.
Der Ausgangspunkt ist immer - nicht die Tabula rasa, nicht der Zustand vor der Schöpfung, in den die philoso- phische Spekulation ihre selbstgemachten Prämissen hineinpostuliert, sondern - das historische Faktum, dass Ver- nunft ist. Von dieser Tatsache aus wird zurückgegangen auf die Bedingungen, die gegeben sein mussten, damit sie werden konnte.
Das heißt Vernunftkritik. Kant hat sie begonnen, ist aber bei dem, was er das Apriori nennt, stehen geblieben. Fichte löst auch die Kategorien und Anschauungsformen in die reine Tätigkeit eines unvermeidlich anzuneh- menden Ich auf.
An obiger Stelle ist er schon wieder auf dem Rückweg: Aus den als notwendig aufgefundenen Bedingungen verfolgt er die Ausvildung der Vernunft zu ihrem heute gegebenen System.
JE
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