Montag, 16. Juni 2014
Aus dem Weltzweck deduziertes politisches Programm.
gabriele Planthaber, pixelio.de
Die Opfer, welche die unregelmässige Gewaltthätigkeit der Natur von der Vernunft zieht, müssen jene Gewaltthätigkeit wenigstens ermüden, ausfüllen, und versöhnen. Die Kraft, welche ausser der Regel geschadet hat, kann es auf diese Weise nicht mehr sollen, sie kann nicht bestimmt seyn, sich zu erneuern, sie muss durch Einen Ausbruch von nun an auf ewig verbraucht seyn. Alle jene Ausbrüche der rohen Gewalt, vor welchen die menschliche Macht in Nichts verschwindet, jene verwüstenden Orkane, jene Erdbeben, jene Vulkane können nichts Anderes seyn, denn das letzte Sträuben der wilden Masse gegen den gesetzmässig fortschreitenden, belebenden und zweckmässigen Gang, zu welchem sie ihrem eigenen Triebe zuwider gezwungen wird – nichts, denn die letzten erschütternden Striche der sich erst / vollendenden Ausbildung unseres Erdballes.
Jener Widerstand muss allmählig schwächer, und endlich erschöpft werden, da in dem gesetzmässigen Gange nichts liegen kann, das seine Kraft erneuere; jene Ausbildung muss endlich vollendet, und das uns bestimmte Wohnhaus fertig werden. Die Natur muss allmählig in die Lage eintreten dass sich auf ihren gleichmässigen Schritt sicher rechnen und zählen lasse, und dass ihre Kraft unverrückt ein bestimmtes Verhältniss mit der Macht halte, die bestimmt ist, sie zu beherrschen, – mit der menschlichen. –
Inwiefern dieses Verhältniss schon ist, und die zweckmässige Ausbildung der Natur schon festen Fuss gewonnen hat, soll das Menschenwerk selbst, durch sein blosses Daseyn, und durch seine, von der Absicht seines Werkmeisters unabhängigen Wirkungen wiederum in die Natur eingreifen, und ein neues belebendes Princip in ihr darstellen. Angebaute Länder sollen den trägen und feindseligen Dunstkreis der ewigen Wälder, der Wüsteneien, der Sümpfe beleben und mildern; geordneter und mannigfaltiger Anbau soll rund um sich her neuen Lebens- und Befruchtungs-Trieb in die Lüfte verbreiten, und die Sonne soll ihre belebendsten Strahlen in diejenige Atmosphäre ausströmen, in welcher ein gesundes, arbeitsames und kunstreiches Volk athmet. –
Im Andrange der Noth zuerst geweckt, soll späterhin besonnener und ruhig die Wissenschaft eindringen in die unverrückbaren Gesetze der Natur, die ganze Gewalt dieser Natur übersehen, und ihre möglichen Entwicklungen berechnen lernen soll eine neue Natur im Begriffe sich bilden, und an die lebendige und thätige eng sich anschmiegen, und auf dem Fusse ihr folgen. Und jede Erkenntniss, welche die Vernunft der Natur abgerungen, soll aufbehalten werden im Laufe der Zeiten, und Grundlage neuer Erkenntniss werden für den gemeinsamen Verstand unseres Geschlechts.
So soll uns die Natur immer durchschaubarer, und durchsichtiger werden bis in ihr geheimstes Innere, und die erleuchtete und durch ihre Erfindungen bewaffnete menschliche Kraft soll ohne Mühe dieselbe beherrschen, und die einmal gemachte Eroberung friedlich behaupten. Es soll allmählig keines grösseren Aufwandes an mechanischer Arbeit / bedürfen, als ihrer der menschliche Körper bedarf zu seiner Entwicklung, Ausbildung und Gesundheit, und diese Arbeit soll aufhören Last zu seyn; – denn das vernünftige Wesen ist nicht zum Lastträger bestimmt.
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Die Bestimmung des Menschen, SW II, S. 304
Nota.
Hier wird sichtbar, dass Fichtes Wendung im schlechtesten Sinn dogmatisch, im schlechtesten Sinn metaphysisch war. Aus bloßer Spekulation - dder Projektion eines einmal erreicht sein werdenden Vernunftzustands - werden praktische Konsequenzen für die gesellschaftliche Lebensführung gezogen; wird ein politisches Programm 'deduziert'. Das war für spätere Generationen ein ganz schlechtes Beispiel - wie gut oder schlecht besagtes Programm ansonsten auch sein mag, und es ist eine faule Ausflucht, es lediglich "dem Zeitgeist" anzulasten. Die Prämisse war dogmatisch, wie soll die Konsequenz nicht dogmatisch sein?
JE
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