Sonntag, 8. Februar 2015

Wechsel des Gefühls ist die Bedingung des Selbstbewusstseins.


Frère, L'Amour piqué par une abeille

Zuförderst ist nur von der Beschränkung des praktischen Vermögens als Grund der Beschränkung gesprochen, denn es scheint sonderbar, dass die als unbeschränkt aufgestellte [ideale] Tätigkeitbeschränkt werde und aus ihr ein Gefühl entstehen sollte. 

Auf die Erfahrung kann man sich nicht berufen. In der Erfahrung findet Denkzwang statt, die Objekte so aufzufassen. Es müsste etwa so sein, dass die ideale Tätigkeit praktisch würde und mit Freiheit hervorbrächte und insofern beschränkt würde - dies wird sich weiter unten zeigen, sonst fiele alles System zusammen. Aus der Beschränktheit der idealen Tätigkeit wird entstehen ein neues Gefühl, aber aus dem Gefühl entsteht notwendig eine Anschauung.

Zuförderst als ein Objekt der Anschauung hat das Ich ein Sein, es ist etwas. Die Begrenztheit des Ich ist im Zustande A. Das Ich ist in ihr sich selbst gegeben, es wird gefunden als Objekt. Das Anschauende in X ist die ideale Tätigkeit, welche auf dieses Sein geht. ... Zufolge des bestimmten Gefüls entsteht eine bestimmte Anschauung, und mit der Anschauung entsteht das Objekt derselben und ist nicht mehr von ihm zu trennen, dies ist das Band.

Ich fühle und schaue an. Ich bin in beidem dasselbe Ich; aber was ich anschaue, soll ich auch sein. Mit dieser bestimmten Anschauung X ist die Objekt Ich verbunden, ich fühle mich beschränkt durch mein eigenes Sein. Nun das Y Anschauende allerdings nicht Objekt der Anschauung X, sondern das Sein des Ich ist Objekt dieser Anschauung. Aber das An-/schauen ist damit notwendig und unzertrennlich verknüpft, und dies ist das Band, woran das Ich notwendig weiter fortgeleitet wird.

Da das angeschaute Objekt Ich sein soll, so folgt daraus, dass sein Sein notwendig bestimmt ist im Setzen, durch ideale Tätigkeit eines Dinges Y, nur unter dieser Bedingung wird es angeschaut.

Das Resultat wäre dies: Aus der Veränderung erfolgt ein Gefühl derselben als eine Beschränkung der idealen Tätigkeit des Ich, aus diesem Gefühle erfolgt eine Anschauung des beschränkten Ich als eines solchen, in welcher das Ich als Objekt überhaupt, und die Anschauung Y als ein notwendiges Akzidens des Ich vorkommt.

Ist kein Ich für das Ich, so ist kein NichtIch und kein Bewusstsein. Aber die Anschauung und der Begriff des Ich sind nicht möglich ohne Veränderung eines Gefühls: Wechsel des Gefühls ist sonach die Bedingung des Selbstbewusstseins und talis qualis schlechthin zu postulieren. Ein solcher Wechsel des Gefühls , den wir oben problematisch annahmen, muss also als notwendig angenommen werden.

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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 95f.




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