...und keine historische Nacherzählung.
Es ist aber gar nicht nothwendig, dass diese
Handlungen wirklich der Zeitfolge nach in jener systematischen Form, in
welcher sie als von einander dependirend werden abgeleitet werden, eine
nach der anderen, in unserem Geiste vorkommen; dass etwa die, welche
alle unter sich fasst, und das höchste, allgemeinste Gesetz giebt,
zuerst, sodann die, welche weniger unter sich fasst u.s.f. vorkommen;
ferner ist auch das gar nicht die Folge, dass sie alle rein und
unvermischt vorkommen, so dass nicht mehrere, die durch einen etwanigen
Beobachter gar wohl zu unterscheiden wären, als eine einzige erscheinen
sollten.
Z.B. die höchste Handlung der Intelligenz sey die, sich selbst
zu setzen, so ist gar nicht nothwendig, dass diese Handlung der Zeit
nach die erste sey, die zum deutlichen Bewusstseyn komme; und eben so
wenig ist nothwendig, dass sie jemals rein zum Bewusstseyn komme, dass
die Intelligenz je fähig sey, schlechthin zu denken: Ich bin, ohne zugleich etwas anderes zu denken, das nicht sie selbst sey.
Hierin liegt nun der ganze Stoff einer möglichen
Wissenschaftslehre, aber nicht diese Wissenschaft selbst. Um diese zu
Stande zu bringen, dazu gehört noch eine, unter jenen Handlungen allen
nicht enthaltene Handlung des menschlichen Geistes, nemlich die, seine
Handlungsart überhaupt zum Bewusstseyn zu erheben.* Da sie unter jenen
Handlungen, welche alle nothwendig, und die nothwendigen alle sind,
nicht enthalten seyn soll, so muss es eine Handlung der Freiheit seyn. –
Die Wissenschaftslehre entsteht also, insofern sie eine systematische
Wissenschaft seyn soll, gerade so, wie alle möglichen Wissenschaften,
insofern sie systematisch seyn sollen, durch eine /
Bestimmung der Freiheit; welche letztere hier insbesondere bestimmt
ist, die Handlungsart der Intelligenz überhaupt zum Bewusstseyn zu
erheben; und die Wissenschaftslehre ist von anderen Wissenschaften nur
dadurch unterschieden dass das Object der letzteren selbst eine freie
Handlung, das Object der ersteren aber nothwendige Handlungen sind.
Durch diese freie Handlung wird nun etwas, das
schon an sich Form ist, die nothwendige Handlung der Intelligenz, als
Gehalt in eine neue Form, die Form des Wissens, oder des Bewusstseyns
aufgenommen, Und demnach ist jene Handlung eine Handlung der Reflexion.
Jene nothwendigen Handlungen wer den aus der Reihe, in der sie etwa an
sich vorkommen mögen, getrennt und von aller Vermischung rein
aufgestellt; mithin ist jene Handlung auch eine Handlung der
Abstraction. Es ist unmöglich zu reflectiren, ohne abstrahirt zu haben.
_______________________________________________
Über den Begriff der Wissenschaftslehre, SW I, S. 71f.
*Nota I. - Das ist die an anderer Stelle erörterte Frage nach der sachlichen Möglichkeit der Philosophie.
Nota II. - Lieber hätte ich von logischen Dependenzen geschrieben. Doch leider werden viele Leser dabei an formal logische Dependenzen denken - und die Formulierung nicht verstehen. Natürlich denke ich an sach logi- sche Dependenzen; sachlich ist es so, dass der erste Stock nicht vor dem Erdgeschoss gebaut werden kann.
JE
Nota. - Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es lediglich bearbeitet. Sollten
Sie der Eigentümer sein und seine Verwendung an dieser Stelle
missbilligen, melden Sie sich bitte über dieses Blog. JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen