Donnerstag, 26. April 2018

Zirkulär - und notwendig, wenn man will.

w.r.wagner  / pixelio.de
 
§ 1. Erster, schlechthin unbedingter Grundsatz. 

Wir haben den absolut-ersten, schlechthin unbedingten Grundsatz alles menschlichen Wissens aufzusuchen. 

Beweisen oder bestimmen lässt er sich nicht, wenn er absolut-erster Grundsatz seyn soll. Er soll diejenige Thathand- lung ausdrücken, welche unter den empirischen Bestimmungen unseres Bewusstseyns nicht vorkommt, noch vor- kommen kann, sondern vielmehr allem Bewusstseyn zum Grunde liegt, und allein es möglich macht. Bei Darstel- lung dieser Thathandlung ist weniger zu befürchten, dass man sich in etwa dabei dasjenige nicht denken werde, was man sich zu denken hat – dafür ist durch die Natur unseres Geistes schon gesorgt – als dass man sich dabei denken werde, was man nicht zu denken hat. Dies macht eine Reflexion über dasjenige, was man etwa zunächst dafür halten könnte, und eine Abstraction von allem, was nicht wirklich dazu gehört, nothwendig. 

Selbst vermittelst dieser abstrahirenden Reflexion nicht – kann Thatsache des Bewusstseyns werden, was an sich keine / ist; aber es wird durch sie erkannt, dass man jene Thathandlung, als Grundlage alles Bewusstseyns, noth- wendig denken müsse. ... 

Die Gesetze, nach denen man jene Thathandlung sich als Grundlage des menschlichen Wissens schlechterdings denken muss, oder – welches das gleiche ist – die Regeln, nach welchen jene Reflexion angestellt wird, sind noch nicht als gültig erwiesen, sondern sie werden stillschweigend, als bekannt und ausgemacht, vorausgesetzt. Erst tiefer unten werden sie von dem Grundsatze, dessen Aufstellung bloss unter Bedingung ihrer Richtigkeit richtig ist, abgeleitet. Dies ist ein Cirkel; aber es ist ein unvermeidlicher Cirkel.
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Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, SW Bd. I, S. 91f.



Nota. - Ich hatte diesen Post ursprünglich mit Denknotwendig und zirkulär überschrieben. Doch denknotwendig ist der Gedanke der Tathandlung ja gerade nicht, sonst müsste er uns allen ganz selbstverständlich vorkommen. Das tut er nicht, er kommt uns vielmehr recht erkünstelt vor. Er wird tatsächlich nicht gedacht, denn der so bezeichnete Akt muss als allem wirklichen Denken zugrundeliegend vorgestellt werden.  - Jeder wirkliche Denkakt hat sachlich die Form S p, dass q. Darin ist unausgesprochen voraus-gesetzt, dass S und q als solche schon bestimmt waren. Da- für liegt aber kein Grund vor. Der kann - sofern man danach sucht! - nur in der Vorstellung gefunden werden, dass 'ein Ich sich setzt, indem es ein/em Nichtich sich entgegensetzt'. Man findet es nur, sofern man will: sofern man reflektiert. Notwendig ist daran nichts.

Freilich - sofern man will, kann man nur dies finden; das ist notwendig, und das ist das Zirkuläre daran.
JE


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