Donnerstag, 11. April 2019

[Einer sich als den andern.]

J.W.W. Tischbein, 1782

Besteht mein Leib aus zäher haltbarer Materie und hat er sie Kraft, alle Materie in der Sinnenwelt zu modifi- zieren / und sie nach meinen Begriffen zu bilden, so besteht der Leib der Person außer mir aus derselben Materie, und sie hat dielbe Kraft. Nun ist mein Leib selbst Materie, also ein möglicher Gegenstand der Ein- wirkung des andern durch bloße physische Kraft; ein möglicher Gegenstand, dessen freie Bewegung er gera- dezu hemmen kann. 

Hätte er mich für bloße Materie gehalten und er hätte auf mich einwirken wollen, so würde er so auf mich eingewirkt haben, gleicher Weise wie ich auf alles, was ich für bloße Materie halte, einwirke. Er hat nicht so gewirkt, mithin nicht den Begriff der bloßen Materie von mir gehabt, sondern den eines vernünftigen Wesens, und durch diesen sein Vermögen beschränkt. Und erst jetzt ist der Schluss vollkommen berechtigt und notwen- dig: Die Ursache der oben beschriebenen Einwirkung auf mich ist keine andere als ein vernünftiges Wesen.

Es ist hiermit das Kriterium der Wechselwirkung vernünftiger Wesen als solcher augestellt. Sie wirken notwendig unter der Voraussetzung auf einander, dass der Gegenstand ihrer Einwirkung einen Sinn habe; nicht wie auf bloße Sa- chen, um einander durch physische Kraft für ihre Zwecke zu modifizieren.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,
SW Bd. III, S. 68f.
 



Nota. - Mal sehen, wie er uns den Sinn erläutern wird. -

Dass der Leib aus zäher haltbarer Materie besteht, wussten wir - aber bloß aus Erfahrung; aus den Vorausset- zungen abgeleitet war es noch nicht, das musste der Transzendentalphilosoph noch erledigen. (Nie vergessen: Die Transzendentalphilosophie kehrt die Betrachtungsweise um; nicht aus Ursachen konstruiert sie Wirkungen, sondern aus Folgen erschließt sie Bedingungen. Da aber auch sie diskursiv verfahren muss, sieht es aus wie eine verkehrte Kausalität.)

Überflüssig ist es auch sachlich nicht, denn der Begriff des Leibes muss bestimmt werden - artikuliert; zähe, halt- bare Materie -, um aus ihm sachlich fortbestimmen zu können; und zwar in diesem Fall negativ: Der eine ist so wenig bloße Materie wie der andere und können einander als solche nicht behandeln, weil sie sich selbst nicht als solche behandeln können.

Nun ja, auch das hatten wir in der Abstraktion bereits; aber eben nur im Begriff. Dabei darf F. es nicht belas- sen, weil er uns zu Folgerungen für die Sinnenwelt führen will. Und es sieht so aus, als kämen wir auf diese Weise auch der ausgefallenen Idee von den 'zwei Organen' näher.
JE

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