Montag, 24. November 2014

Keine intellektuelle Anschauung ohne Sinnlichkeit.


Honthorst, Josef in seiner Werkstatt

In dem Resultate unserer Untersuchung ist auch dies nicht außer Acht zu lassen: Die intellektuelle Anschauung, von der wir ausgegangen sind, ist nicht ohne eine sinnliche, und letztere nicht ohne ein Gefühl möglich; und man würde uns gänzlich missverstehen und den Sinn und die Hauptabsicht unseres Systems geradezu umkehren, wenn man uns die entgegengesetzte Behauptung zuschriebe. 

Aber ebensowenig ist die letztere möglich ohne die erstere. Ich kann nicht sein für mich, ohne Etwas zu sein, und dieses bin ich nur in der Sinnenwelt, aber ich kann ebensowenig für mich sein, ohne Ich zu sein, und dieses bin ich nur in der intelligiblen Welt, die sich vermittelst der intellektuellen Anschauung vor meinen Augen aufschließt.

Der Vereinigungspunkt zwischen beiden liegt darin, dass ich für mich nur durch absolute Selbsttätigkeit zufolge eines Begriffes* bin, was ich in der ersteren bin. Unsere Existenz in der intelligiblen Welt ist das Sittengesetz, unsere Existenz in der Sinnenwelt ist die wirkliche Tat; der Vereinigungspunkt beider die Freiheit, als absolutes Vermögen, die letztere durch die erstere zu bestimmen.

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System der Sittenlehre nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW IV, S. 91



*) [Das heißt bei F. nicht mehr als: die Vorstellung von einem Zweck.]

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