Freitag, 21. Oktober 2016
Das Ich ist gleichsam ein System.
Was bedeuten nun die Ausdrücke: Wahrheit, Realität, objektive Gültigkeit? Diese Ausdrücke kommen nur den- jenigen //106// Vorstellungen zu, welche aus dem Gefühl oder aus dem ersten Zustand erfolgen würden, wenn die ideale Tätigkeit notwendig bestimmt würde; wenn das Gefühl notwendige Ursache der Vorstellung wäre. Wenn eine Last auf einen Gegenstand drückt, so ist für den Gegenstand ein Druck notwendig vorhanden. Aber wenn ein Gefühl gesetzt ist, so erfolgt nicht notwendig eine Anschauung; denn das Anschauende ist frei, es könnte auch nicht reflektieren. Wenn es aber reflektiert, so erfolgt die Anschauung notwendig.
In der Wahrheit kommt sonach das Ich ungeteilt vor, gleichsam als ein System, wo aus einem alles andre not- wendig folgt. Aus dem Zustande des Gefühls folgt eine gewisse Anschauung, und dies ist Wahrheit. Wenn ich mir aber etwas erdichte, so geht der Zustand des Gefühls und der Anschauung jedes seinen eigenen Weg, in sofern ist das Ideale und das Fühlende gleichsam von einander gerissen, und dann ist meine Vorstellung keine Wahrheit. Wahrheit ist Übereinstimmung mit uns selbst, Harmonie.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 105f.
Nota. - Ichheit und Wahrheit sind hiernach Wechselbegriffe: Wo Gefühl und Anschauung zu systemischer Übereinkunft kommen - was sich freilich praktisch erweisen muss -, reden wir von Wahrheit, eigentlich: Wahr- haftigkeit; statt veritas sozusagen vericitas.
Und umgekehrt kann von Ichheit nur die Rede sein, wo "Übereinstimmung" gegeben ist; wo Gefühl und Anschauung 'jedes seinen eigenen Weg geht', ist das Ich gespalten, und also keines.
JE
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