Samstag, 22. Oktober 2016
Die Objektivität von Gott und der Welt.
Dieser Begriff von Wahrheit möchte noch viel weiter reichen. Unseren Vorstellungen von Gott, Sittlichkeit, Recht pp. kommt eben sowohl objektive Gültigkeit zu wie unseren Vorstellungen von der Welt. Beiderlei gründet sich auf Gefühle. Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass die Vorstellungen der Welt auf ein Gefühl unserer Beschränktheit, die von Gott pp. auf ein Gefühl unseres Strebens gründen.
Zwischen beiden liegt das Handeln.
Die Wissenschaftslehre weicht darin von Kants Buchstaben ab, dass sie den Vorstellungen von Gott pp. eben sowohl objektive Gültigkeit zugesteht als den Vorstellungen von der Welt. Kant sagt in seinem Aufsatze über den vornehmen Ton, dass man Gott sich mache, allerdings, aber man macht sich auch die Welt, beide sind abhängig von der Vernunft. Nur für die Vernunft gibts eine Welt und einen Gott, doch gibts zwei beträchtliche Unterschiede dieser Vorstellungen.
1) Auf die Vorstellungen der Welt muss jeder reflektieren, so gewiss er ist, aber die Vorstellungen von einem Gott setzen schon moralische Bildung voraus. //107//
2) Die Weltvorstellungen werden durch alle Vernunftgesetze bestimmt, aber nicht die von Gott. Gott kann man nicht bestimmem, man kann ihn nur anschauen. Von Gott gibts keinen Begriff, sondern nur eine Idee.
Kant geht besonders aufs Erkennen aus, und Objekt ist ihm, was ein Gegenstand des Erkennens [ist]. In dieser Rücksicht stimmt die Wissenschaftslehre auch mit Kants Buchstaben überein, und in diesem Sinne sind die Vorstellungen von Gott nicht objektiv. Realität heißt bei Kant, was im Raume ist. Dies ist aber eigentlich Materie, und in diesem Sinne kommt Gott keine Realität zu.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 106f.
Nota. - Hier wechselt er die Argumentation. Bislang musste die Annahme, dass Denkswang und Sinnlichkeit in derselben Weise Gefühl seien, ihre gemeinsame Objektivität verbürgen. Hier nun soll die unterschiedliche Qualität des Gefühls - mal das der Beschränktheit, mal das des Strebens - für zwei verschiedene Qualitäten von Objektivität aufkommen. (Das Gefühl des Strebens wäre notabene ein Fühlen der idealen Tätigkeit; warum macht er nicht mehr daraus?)
Kant hatte die Objektivität der Welt in der apriorischen Anschauung vom Raum begründet, Fichte gründet sie unmittelbar im Ich. Kant konnte die Objektivität der Gottesvorstellung nicht im Raum begründen, Fichte will sie wiederum unmittelbar im Ich begründen: im Gefühl des Strebens. Doch im Gefühl des Strebens kann er lediglich die Idee eines Zwecks-überhaupt, Zwecks der Zwecke, eines absoluten Wozu usw. begründen, die qua Idee ein bloßes Noumenon, ein Fiktion darstellt, von der 'gar nicht vorgegeben wird, dass ihr etwas Wirkliches entspreche'.
Er will aber auf die Vorstellung Gottes als ein Bild des Sittengesetzes hinaus. Da müsste zur Objektivität der Idee vom Zweck-an-sich noch etwas Subjektives hinzutreten, das nicht notwendig, sondern willkürlich wäre; er sagt es selbst: eine "moralische Bildung". - Seine Argumentation wäre schlüssiger geblieben, wenn er auf diesen Beisatz verzichtet hätte.
JE
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