Dienstag, 25. Oktober 2016

Das unbestimmte Denken ist die Quelle vieler Irrtümer in der Philosophie.

 
Im vorigen Paragraphen war es uns um die Erkenntnis des Bestimmten, jetzt ists aber uns um die Erkenntnis des Bestimmbaren zu tun.

1) Das Ich setzt sich nach vorigem Paragraphen als vorstellen könnend oder nicht - was soll dies heißen? Wir können uns dies denken, denn wir haben schon oft und unser ganzes Leben hindurch dergleichen freie Hand- lungen vorgenommen. Von dem Bestimmten, was wir nun kennen, abstrahieren wir; also dieses Denken ist ein abstraktes und daher ein unbestimmtes Denken. Dies kann uns bloß auf den Weg führen, worauf es liegt; aber uns nicht auf den Punkt stellen, worauf es uns ankommt.

Das bloß unbestimmte Denken ist die Quelle vieler Irrtümer in der Philosophie. Wir können oder nicht - das können wir uns wohl denken; aber nicht das ursprüngliche Ich, dem wir zusehen, denn dieses hat noch nichts zu abstrahieren, wir sind hier beim Anfange alles Handelns. 

1) [sic] Das Ich muss für ein bestimmtes Tun, d. h. dajenige, was hier alleinm stattfinden kann, überhaupt an- schauen, und zwar, da es ein freies Tun sein soll, als etwas, das es vollziehen kann und auch nicht.

Bestimmtheit hat hier zwei Bedeutungen. Das, wovon wir hier reden, soll das Bestimmbare sein, von dem soll zum Be-//109//stimmten übergegangen werden; doch ist das Bestimmbare in bestimmter Rücksicht bestimmt, es ist ein Anschauen, und seine Bestimmbarkeit besteht darin, dass es ein Begreifen ist.
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Wissenschaftslehre nova methodo,
 Hamburg 1982, S. 10
8f.  



Nota. - Das Unbestimmte wird bestimmt als ein Unbestimmtes, was nichts anderes bedeutet denn: als ein zu-Bestimmendes. - Das Bestimmbare ist kein Bedeutungsloses. Denn es ist nicht zuerst unbestimmt, das Ich entschließt dann sich zum Bestimmen, und dadurch wird es ein Bestimmbares; sondern indem das Ich schon zu handeln (=anzuschauen) beginnt, wird es überhaupt erst für das Ich - und eo ipso ein Bestimmbares. Vorher war es für das Ich nicht da. (Ob für einen andern, könnte nur er uns sagen.)

Nota II. - Transzendentalphilosophie ist keine Entwicklungspsychologie. In der Realgeschichte eines Individu- ums kommt das nicht vor: Zuerst denkt das Individuum 'überhaupt', und danach verdichtet es sein Denken zu 'diesem'. Die Wissenschaftslehre ist keine historische Nacherzählung, sondern ein genetisches Modell, in dem es kein vor- und nacheinander gibt, sondern lediglich wechselseitige Bedingungen.
JE



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