Montag, 17. Oktober 2016

...weil dieses Quantum meines Begreifens meinen Zustand ausmacht.


F. X. Messerschmidt, Charakterkopf
 
Ich setze mich als Ich heißt: Ich setzte mich als tätig. Das Materiale der Tätigkeit (was dabei angeschaut wird) ist ein Übergehen von der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. (Das Formale ist die Selbstaffektion, sie gehört nicht hierher.) Das Ich soll im Begriff tätig gesetzt werden als von einer gewissen Unbestimmtheit zu einer gewissen Bestimmtheit übergehend. Beide müssen wir hier kennenlernen. 

A) Das Bestimmte, wozu übergegangen wird, ist der Begriff eines bestimmten Dinges, aber ich selbst bin auch bestimmt in diesem Begriff, weil dieses Quantum meines Begreifens meinen Zustand* ausmacht.

B) Über die Entstehung dieses bestimmten Dinges, dieses bestimmten Begreifens, dieser meiner Bestimmtheit im Begreifen haben wir bisheit dies gesehen: Ich bin beschränkt, und zwar vollständig. Dieses vollständig zeigte eine Beschränktheit der Beschränktheit an. Die praktische Tätigkeit ist ganz aufgehoben, die ideale bleibt; das Wesen letzterer besteht nun darin, dass sie ein Objekt habe. In diesem Zustande ist praktische Beschränktheit oder Gefühl, und mit diesem Anschauung, denn beide sind notwendig verbunden. Nun aber ist die praktische Beschränktheit eine bestimmte, mithin auch diese Anschauung.

C. - Das bisher Gesagte ist zur Zeit nur für uns, die wir philosophieren, und bleibt so lange leer. Soll es etwas sein, so muss etwas für das Ich werden, worüber wir philosophieren. Wie wird es nun für das Ich? Wir haben gesagt: durch ein neues Gefühl X vom Zusammenhange der Anschauung Y mit dem Gefühl X: das Gefühl des Denkzwangs. Aber dies ist auch nichts, wenn es nicht für das Ich da ist; und der ganze Zustand ist für das Ich nur, in wiefern es sich in demselben das freie Übergehen versagt.

D. Das Ich gibt notwendig sich frei hin, versteht sich für sich als frei, es findet sich als frei, d. h. sein Hingeben ist mit der Vorstellung verbunden, dass es sich auch nicht hätte hingeben können. Aber es kann sich in diesem Hingeben nicht frei //104// setzen, wenn es sich nicht wirklich hin gibt, denn sonst ist für dasselbe nichts vorhan- den. Ich bemerke irgend ein Objekt; dass ich es bemerke, geschieht mit Freiheit, denn ich sage, dass ich es auch nicht hätte bemerken können; aber dies kann ich nur sagen, indem ich es bemerkt habe.
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Wissenschaftslehre nova methodo,
 Hamburg 1982, S. 103f.
 



*Nota. - Nicht eigentlich das Gefühl selbst, in dem er auch den Denkzwang unterbringen will, ist der proble- matische Begriff, sondern der Zustand: Der ist nämlich das als real gedachte Pendant zum begriffenen Ich. In jedem Fall geht es darum, Denkerfahrung und Sinnlichkeit in einander aufzulösen. Das ist bekanntlich ein ur- altes Problem der Philosophie. Doch wenn er meint, er habe es schon dialektisch aufgelöst, dann irrt er sich; das ist er uns noch schuldig. Begreifen ist ein Sache der Erfahrung; die beruht zweitens auf der Sinnlichkeit und erstens auf dem, was bei Kant als Apriori vorkommt. Fichte nennt es Denkzwang.

(Wir bleiben stets im Reich der Vorstellung. Die Aufgabe ist weniger, den Denkzwang der Sinnlichkeit, als vielmehr die Sinnlichkeit dem Denkzwang zu assimilieren. Die Frage war doch: Wie kommt das Objekt in meine Vorstellung? Er hat sie lediglich umgekehrt: Wie komme ich zu der Annahme, dass meinen Vorstellun- gen Objekte außer mir entsprechen? Materialiter ist das dasselbe.)
JE  




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