Sonntag, 5. Februar 2017

Der ursprüngliche Begriff einer Selbstbeschränkung, von dem alles Bewusstsein ausgeht.


Nun bieten sich zwei Fragen dar, die nur durcheinander beantwortet werden können, aber da hier lieber dem System als der //173// Verständlichkeit Abbruch getan wird, so werden die Untersuchungen geteilt; die Resultate werden zusammenfallen. 

Es ist geredet worden von einem ursprünglichen Begriffe, in dem die Aufgabe der Selbstbeschränkung liegt, und von einer solchen Beschränkung; daran soll alles im Bewusstsein sich knüpfen. - Was ists also eigentlich, was in diesem Begriffe begriffen wird, wovon geht alles Bewusstsein aus?

Es wäre die Frage nach dem Materialen. Es ist ein vernünftiges Wesen außer uns, welches noch bewisesen werden wird, denn alles äußere Bewusstsein geht von einem vernünftigen Wesen aus, sowie auch das innere [Bewusstsein] nur von dem Intelligiblen, von der Ichheit ausgeht. Die Sinnlichkeit ist nur Versinnlichung, nichts Ursprüngliches. Die Behauptung einer Vernunft außer uns ist bloßer reiner Gedanke - in die Erscheinung gelegt. Dieser reine Gedanke ists, von dem die Erfahrung ausgeht. Diese Frage lassen wir liegen. Knüpft sich aber ein fortlaufendes Bewusstsein an den ersten Punkt an - wie kommt die Reihe der sukzessiven Vorstel- lungen zu Stande? Sie fragt nach dem Formalen. Diese behandeln wir hier.

Erklärung der Frage.

Was entsteht denn nach unseren Voraussetzungen für ein Selbstbewusstsein? Bewusstheit einer Bestimmtheit, eines Nichtkönnens, Denkens, Wollens - ? - Kann denn der Anfang des Bewusstseins eine Negation und kann irgendein Bewusstsein Negation sein? Also haben wir nur durch Erschleichung und Supplieren etwas Anderen deutlich werden können; ein positives Bewusstsein haben wir noch nicht abgeleitet. Die Negation ist nicht das Objekt selbst. Es wurde gesagt, unser ursprüngliches Bewusstsein sei eine Aufgabe einer uns selbst zuzufügen- den Beschränkung; wo soll aber das Materiale, das wir nicht tun sollen, herkommen? - 

Es beantwortet nicht, wenn man sagt, die innerliche Nachahmung kommt nicht zum Bewusstsein, es ist nicht Objekt, sondern bloß Instrument, zu einem Objekt zu gelangen, sonach //174// müsste mit dem Gefühle der Begrneztheit doch ein wirkliches positives Wollen vereinigt sein, und die Vereinigung des Positiven mit der Negation müste notwendig sein. Es müsste doch ein empirisches Wollenb in jenem Begriffe der Aufgabe schon drinne liegen, dies ist aber ein Wollen nach einem Zweckbegriffe. Also kommen wir wieder darauf zurück: Wie ist ein Zweckbegriff möglich? Hier wird es beantwortet.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 172f.
 



Nota I. - "Die Sinnlichkeit ist nur Versinnlichung, nichts Ursprüngliches." Dieser Satz, aus seinem diskuriven Zusmmenhang gerissen und in ein Lehrbuch geschrieben, würde die Wissenschftslehre auf den Kopf - sic - stellen. Fast zweihundert Jahre lang ist sie im Schulbetrieb aber so darggestellt worden. In seinem Zusammen- hang lautet der Satz aber: Im Bewusstsein (nicht: "für" das Bewusstsein, im Gegenteil!) ist Sinnlichkeit nichts Ursprüngliches, sondern lediglich Versinnlichung der Tätigkeit der Intelligenz.

Nota II. - Wenn ich annehme, das Ich sei 'Tätigkeit überhaupt', dann ist diese Vorstellung nur soweit bestimmt, dass sie kein Leiden ist. Darüber hinaus ist sie gänzlich unbestimmt. Soll ich sie aber einschränken, so muss ich das, was sie nicht sein soll, seinerseits 'positiv' bestimmen. - Es sollte sich zeigen, dass wir auch dieses 'Positive' nur durch Entgegensetzung bestimmen können. Wenn aber Bewusstsein Bestimmtheit sein soll, dann kann es nur durch Negation... entstehen. 

Das ist nicht neu. Nun ist in der Wissenschaftslehre außer dem Anfang gar nichts 'neu'. Sie ist überall nur Fort- bestimmung des Ersten Grundsatzes.

Nota III. - Tätigkeit oder Leiden, ein Drittes gibt es für die Wissenschaftslehre nicht. Ein Drittes, reine Ruhe, gibt es nur im Begriff, als Vorstellung von nicht-Etwas. Die Wissenschaftslehre hat aber das lebendige Vor- stellen zum Gegenstand, nicht das Nicht-Vorstellen. 
JE






 

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