Montag, 27. Februar 2017

Eine genetische Einsicht in den Ursprung unserer Vorstellungen.



Anmerkung A. 

Dies ist die charakteristische Auszeichnung der Wissenschaftslehre: Ich denke nur mein Denken in die Zeit //192// hinein; nur dadurch, dass mein Denken Gegenstand des Bewusstseins wird, fällt es mir in die Zeit. Dies wird bei Kant vernachlässigt, da der Begriff der Ichheit vernachlässigt wurde. Das Denken hat die Zeit schon bei sich; wer also vom bloßen Denken redet, der kann gar nicht darauf kommen, die Zeit abzuleiten; in die Zeit fällt aber nicht das Ich, und wenn man weiß, dass dem Denken Bewusstsein beiwohnt, kann man darauf kom- men, die Zeit abzuleitem.

Die Wissenschaftslehre ist nicht etwa selbst Erzeugerin einer Erekenntnis, sie ist bloß Beobachterin des menschlichen Geistes im ursprünglichen Erzeugen aller Erkenntnis, aber das Kantische System geht in der Beobachtung nicht zu Ende wie die Wissenschaftslehre. Der gemeine Verstand tut aber und beobachtet nur das Produkt seines Tuns; merkt aber nicht, dass er beim Tun die Zeit u.s.w. erzeugt. Die Wissenschaftslehre gibt aufs Tun selbst Acht, welches [die] erwähnte Synthesis ist, und sie muss diese Synthesis unabhängig von der Analyse aufstellen; nur so entsteht eine genetische Einsicht in den Ursprung unserer Vorstellungen.

Zeit ist nur ein Verhältnis, in welches wir unsere Vorstellungen zu setzen genötigt sind. Das Gesetz dazu sehen wir entstehen, mit ihm die Zeit, aus diesem Verhältnisse in der Zeit entsteht alles Übrige. Dieses ist der Haupt- punkt der transzendentalen Philosophie.

Anmerkung B. 

Demnach - wie das Ich sich denkt in dem beschriebenen Denken, so denkt es sein ganzes Bewusstsein, seine ganze Erfahrung mit, also das Intelligible oder Apriori im Kantischen Sinn des Worts und Aposteriori, beides sind ganz dasselbe, bloß angesehen von verschiedenen Seiten. 
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 191f.
 



Nota. -  Das synthetische Denken, von dem im letzten Paragraphen gelegentlich verwirrend die Rede war, ist das Denken der Wissenschaftslehre. Wenn der gewöhnliche Verstand denkend handelt, achtet er nur auf die Produkte seines Handelns, und das sind gewöhnlich Begriffe - darunter die Zeit, durch die sie zu einander im Verhältnis (der Sukzession) stehen. Die Wissenschaftslehre sieht aber nicht nur dem Auftreten der Begriffe zu, sondern zugleich der Tätigkeit des Begreifens; und zwar beiden zugleich, denn trennen lassen sie erst wieder in der Reflexion. (Auch das gewöhnliche Denken reflektiert, aber es hat hier nichts zu trennen.)

Dieses Verfahren, das nicht darstellt, wie die Begriffe auseinander hervorgehen, sondern wie das Ich Vorstellun- gen hervorbringt, die es in Begriffen fasst und fungibel macht, heißt das genetische.

Noch immer ist die Rede nicht vom empirischen Subjekt, sondern vom Ich als Noumenon und seinem 'Be- wusstsein überhaupt'.
JE






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