Ich fühle in dem Anschauen mich bloß tätig; das dem Anschauen Entgegengesetzte muss außer mir gesetzt wer- den und wird sonach zum NichtIch, zu einem nur Begrenzenden. Dass es ein NichtIch sei, sehen wir hier nur von dem philosophischen Gesichtspunkte, es ist bloß ein Begrenzendes. Das Ich ist nicht aus sich herausgegan- gen. Meine eigene Beschränktheit ist es, welche angeschaut wird, aber sie wird nicht angeschaut als die meinige, sie wird nicht auf mich bezogen. Ich bin das gefühlte Subjekt der Anschauung, und qualis talis (als solches) tätig; die Beschränktheit ist es, wodurch die ideale Tätigkeit[,] ideale Tätigkeit wird.
In der Anschauung bin ich nicht das Angeschaute, nicht das Objekt derselben. Das Anschauen [ist,] im Gegen- satz mit dem Gefühle[,] Tätigkeit. Mit dem Anschauen ist Selbstgefühl verknüpft. Im Anschauen fühle ich mich als tätig; was ist nun das Objekt? Es ist nichts anderes als das Gefühl selbst, das Gefühl meiner Beschränkheit, aber diese Begrenztheit wird nicht gesetzt als die meinige. Das Objekt wird gesetzt als außer mir, NichtIch, es ist entg-/gengesetzt dem Ich, aber auf dieses Entgegengesetzte wird nicht gemerkt, es wird nicht auf mich bezogen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 81f.
Nota. - Im Fühlen sind Tätigkeit und Leiden vereinigt. Es ist die Synthesis vor aller Teilung, es ist die Stelle, wo Ich und NichtIch einander 'setzen', die Stelle wo mir mit mir-selbst zugleich eine Realität 'gesetzt' ist; indem ich das Andre fühle, fühle ich mich.
Aber mehr auch nicht. Von Bewusstsein kann noch in keinem Sinn die Rede sein: Dazu müsste ich mich aus der unmittelbaren sinnlichen Einheit lösen und, indem ich vom Andern zurücktrete, zu mir selbst Abstand nehmen.
Das geschieht in der Anschauung. Indem ich mich anschauend im Gegenstand versenke, gehe ich mir, nachdem ich mich eben zum erstenmal gefühlt habe, wieder verloren. Im ästhetischen Zustand, sagt Schiller, sei der Mensch "gleich Null". Aus dieser unverhofften Wiedervereinigung kann er sich nur lösen, indem er vom An- schauen zum Bestimmen übergeht: des Gegenstands sowohl als seiner selbst. Er geht zur Reflexion in specie über: Im Anschauen geschah sie erst 'an sich', im Bestimmen wird sie - und er - für ihn.
Wie kommt aber das Ich oder jenes A-Morphem, das ihm vorausging, dazu, sich all dem zu unterziehen?
Wir nehmen vorab an: durch Freiheit - was nichts anders heißt, als dass es gewollt haben muss. Was aber zugleich heißt, dass es das ebensowohl unterlassen konnte.
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'Der Mensch' hat sich eine Welt eingerichtet, die von mannigfaltigen Bestimmten angefüllt ist und in der, nicht zuletzt durch seine nimmermüde Tätigkeit, allezeit neues unbestimmt-Bestimmbares hinzukommt. Um in dieser Welt zu bestehen, wird er mit dem Bestimmen ewig und unendlich fortfahren müssen.
Er wird es aber, wenn er will, unterbrechen können - solange er will und solange die geschäftige Welt es ihm er- laubt. Der ästhetische Zustand, das Anschauen um seiner selbst willen, wurde möglich, seit mit dem Bestimmen einmal begonnen wurde.
JE