Montag, 12. Mai 2014

Der Sinn des Lebens.


Alice Wiegand, Wikipedia

Ich ässe nur und tränke, damit ich wiederum hungern und dürsten, und essen und trinken könnte, solange, bis das unter meinen Füssen eröffnete Grab mich verschlänge, und ich selbst als Speise dem Boden entkeimte? Ich zeugte Wesen meines Gleichen, damit auch sie essen und trinken, und sterben, und Wesen ihres Gleichen hinterlassen könnten, die dasselbe thun werden, was ich schon that? 

Wozu dieser unablässig in sich selbst zurückkehrende Cirkel, dieses immer von neuem auf dieselbe Weise wieder angehende Spiel, in welchem alles wird, um zu vergehen, und vergeht, um nur wieder werden zu können, wie es schon war; dieses Ungeheuer, unaufhörlich sich selbst verschlingend, damit es sich wiederum gebären könne, sich gebärend, damit es sich wiederum verschlingen könne? 

Nimmermehr kann dies die Bestimmung seyn meines Seyns, und alles Seyns. Es muss etwas geben, das da ist, weil es geworden ist; und nun bleibt, und nimmer wieder werden kann, nachdem es einmal geworden ist; und dieses Bleibende muss im Wechsel des Vergänglichen sich erzeugen, und in ihm fortdauern, und unversehrt fortgetragen werden auf den Wogen der Zeit. 

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Die Bestimmung des Menschen, SW II, S. 266


Nota.

Mit dem Deduzieren hat es definitiv ein Ende. Er ist ins Reich des Praktischen übergetreten, und da gibt es nur ein Postulieren: "Es muss etwas geben...". 

Maß der Postulate ist nicht ihre Realisierbarkeit. Das Maß der Postulate ist ihre Tauglichkeit, mir im Leben als Leitfaden zu dienen. Ich kann mein Leben so führen, dass es Andern aus Interesse gefällt. Dann bin ich ein nützliches Glied der Gemeinschaft. Und ich kann es so führen, dass es mir selber ohne Interesse gefällt. Was sich wählen soll, lässt sich aus keinem Begriff ermitteln. Es muss sich zeigen und kann immer nur unmittelbar angeschaut werden, Schritt für Schritt. Was sich am Ende daraus ergibt, wird der Sinn meines Lebens gewesen sein.
JE 

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