aus Philosophierungen, 10. 5. 14
...diese Philosophierungen und mein ... Blog Fichtiana gehören zusammen. Jedenfalls sachlich: Dass den harten Kern meiner eigenen fragmentarisch-systematischen Philosophierungen die Fichte'sche Wissenschaftslehre ausmacht, daran habe ich nie einen Zweifel gelassen. So wird man, was auf diesem Blog zu lesen ist, nicht recht verstehen können, ohne das zu kennen, was in dem andern Blog steht.
Dass die Beiträge dieses oder jenes Tages einander unmittelbar kommentieren, kommt dagegen nur selten und fast zufällig vor. Dass ich in den letzten Tagen auf Philosophierungen nichts Eigenes, sondern nur Ein-, Zwei-, Dreizeiler von andern Autoren gebracht habe, liegt allerdings daran, dass ich mich auf die Fichtiana konzentriert habe. Mein Interesse ist nicht philologisch, darum seziere ich fremde Texte nicht gern. In den letzten Tagen aber, nachdem mir der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Bestimmung des Menschen und dem Brief Jacobi an Fichte einerseits und den Rückerinnerungen andererseits deutlicher geworden war als zuvor, wollte ich im Detail darstellen, dass und warum Fichte in der Folge des Atheismusstreits in der Tat von der Transzendentalphilo- sophie abgekommen ist; nicht, dass ihm vor der eigenen Radikalität bange geworden wäre, sondern weil er von Anfang an nicht ganz so radikal war, wie er glaubte und wie er hätte sein müssen, wenn er wirklich den Kant'schen Weg bis zu seinem Schluss gehen wollte - so, wie er es selbst beanspruchte und wie Jacobi es ihm vorschnell bescheinigt hat.
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Nachtrag.
Geahnt habe ich es lange, dass es die mystifizierende Verwendung des Vernunft-Begriffs (na, ein Begriff ist es ja eben nicht!) war, die Fichte empfindlich gemacht hat für die metaphysisch-spekulativen Versuchungen, die der Atheismus-Streit an ihn herangetragen hat. Aber dass ich es andern mit philologischer Präzision an einer zitierbaren 'Stelle' zeigen kann, hatte ich nicht erwartet. Ich hatte Jacobi an Fichte gar nicht in vollem Wortlaut gekannt, 'man weiß ja', was in etwa drinsteht. Man braucht aber schon den richtigen Anfangsverdacht, um zu erkennen, worauf es 'in etwa' ankommt, und der volle Wortlaut steht erst seit kurzem im Internet.
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"Ich meine, vernünftig zu denken, wenn ein Anderer, dem ich vor-denke, gar nicht anders kann, als mir nach-zu-denken und mir beizustimmen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, ich lasse es drauf ankommen; das wäre die pragmatische, die 'findende', die problematische Version. Oder ich nehme eine prä-etablierte Übereinstimmung an, die eine andere Möglichkeit gar nicht offen lässt und einen wirklichen Andern gar nicht braucht; das ist die dogmatische Version..."
Fichte hat zwischen der pragmatisch-problematischen Auffassung, wonach die Vernunft sich aktual ergibt im wirklichen Verkehr vernunftbegabter Menschen, und insofern im besten Fall als proiectum aufzufassen ist, und der dogmatischen Auffassung eines apriorischen Programms, das sich mittels vernünftig wirkender Individuen selbst verwirklicht, lange geschwankt; wobie in den früheren, sürmischen Jahren die Neigung zur aktualistisch-problematischen Version zu überwiegen scheint. Es war erst Jacobis Eingreifen in den Atheismusstreit, das ihn bewogen hat, sich schließlich für die dogmatische Variante zu entscheiden.
Von einer an sich seienden Vernunft vor der Zeit und vor ihrem "Erscheinen" in der Endlichkeit kann man nichts weiter wissen, nicht, wo sie herkommt, noch, worauf sie hinauswill. Da kann man nur glauben. An eine problematische Verunft, die auch scheitern mag, kann man nicht glauben, sondern man müsste sich ihrer jeden Tag neu vergewissern: Man muss wissen. Nämlich wo sie herkommt und worauf sie hinausläuft.
Her kommt sie aus dem Vermögen der Menschen, wertend zu urteilen; das ist ihr ästhetisches Vermögen. Hinaus läuft sie auf eine ewig prozessierende Verständigung der Menschen über ihre gemeinsamen, nämlich öffentlichen Angelegenheiten; überall da, bis wohin die Notwendigkeiten reichen und ab wo frei gewählt werden kann: Von da an kann man fröhlich streiten.
19. 5. 2014
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