Sonntag, 25. Mai 2014
Geschichte a priori.
aus hunde-geheimnis
Die Geschichte dieser allmähligen Cultivirung des Menschengschlechtes als eigentliches Geschichte hat wiederum zwei, innigst verflossene Bestandtheile: einen a apriorischen, und einen a posteriori. Der a priori ist der in der ersten Rede in seinen allgemeinsten Grundzügen aufgestellte Weltplan, hindurchführend die Menschheit durch die damals charakterisirten fünf Epochen. Ohne alle historische Belehrung kann der Denker wissen, dass diese Epochen, die sie charakterisirt sind, einander folgen müssen; wie er denn wirklich auch diejenigen, die bis jetzt noch nicht factisch in die Historie eingetreten sind, im allgemeinen zu charakterisiren verstellt.
Nun tritt diese Entwickelung des Menschengeschlechtes nicht überhaupt ein, wie der Philosoph in einem einzigen Ueberblicke es schildert; sondern sie tritt allmählig, gestört durch ihr fremde Kräfte, zu gewissen Zeiten, an gewissen Orten. unter gewissen besonderen Umständen ein. Alle diese besonderen Umgebungen gehen aus dem Begriffe jenes Weltplanes keinesweges hervor: sie sind das in ihm Unbegriffene, und, da er der einzige Begriff dafür ist das überhaupt Unbegriffene; und hier tritt ein die reine Empirie der Geschichte, ihr a posteriori: die eigentliche Geschichte in ihrer Form.
Der Philosoph, der als Philosoph sich mit der Geschichte befasst, geht jenem a priori fortlaufenden Faden des Weltplanes / nach, der ihm klar ist ohne alle Geschichte; und sein Gebrauch der Geschichte ist keinesweges, um durch sie etwas zu erweisen, da seine Sätze schon früher und unabhängig von aller Geschichte erwiesen sind: sondern dieser sein Gebrauch der Geschichte ist nur erläuternd, und in der Geschichte darlegend im lebendigen Leben, was auch ohne die Geschichte sich versteht.
Er sucht daher den ganzen Strom der Zeit hindurch nur dasjenige auf, und beruft sich darauf, wo die Menschheit wirklich ihrem Zwecke entgegen sich fördert, liegen lassend und verschmähend alles andere; und indem er ja nicht erst historisch zu beweisen gedenkt, dass die Menschheit diesen Weg machen müsse, sondern es schon philosophisch erwiesen hat, und nur zur Erläuterung beifügt, bei welcher Gelegenheit sich dies auch in der Geschichte zeige.
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Die Grundzüge des gegewärtigen Zeitalters, SW VII, S. 139f.
Nota. - "Tant pis pour les faits" soll Hegel auf den Einwurf erwidert haben, dass seine Geschichtsphilosohie nicht mit den historischen Tatsachen übereinstimmte. Wie man sieht, hat er auch das bei Fichte geklaut. Das konnte er nur, weil Fichte in der Bestimmung des Menschen die dogmatische Wendung des "deutschen Idealismus" eingeleitet hatte, über der Hegel eine ganze Kathedrale errichten sollte. Geschichtsphilosophie steht heute in Verruf, und der erstreckt sich leider auch auf jeden rationellen Versuch, der tatsächlich stattgehabten Geschichte der Menschen im Rückblick einen Sinn abzugewinnen.
JE
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