Sonntag, 24. April 2016

Quantität bedeutet bei Fichte Teilbarkeit.



Vergleich mit dem Compendio §§ 2 et 3.

Hatten wir hier [Grundlage...] etwas postuliert, so wäre es das Erkenntnis überhaupt des Übergehens vom Ich zum Vorgestellten. Dass diese Erkenntnis, dies Objektive bestimmt sein müsse, ist in der Anschauung nachgewiesen. Aus dieser notwendigen Bestimmtheit ist Bestimmbarkeit und aus dieser das NichIch deduziert.  

In diesem Stücke nun [WL nova methodo] ist der beobachtete Gang völlig umgekehrt. Es wird das ausgegangen vom Entgegensetzen des NichtIch, und es wird postuliert als absolut (§2). Aus diesem Entgegensetzen wird das Bestimmen abgeleitet (§3). Beide Wege sind richtig; denn die notwendige Bestimmtheit des Ich und das notwendige Sein des NichtIch stehen im Wechsel. Man kann von einem zum andern übergehen. Beide Wege sind möglich.

Aber gegenwärtiger hat die Vorzüge: Die Bestimmtheit des Ich ist zugleich Verbindungsmittel zwischen Ich und NichtIch. Was nach der gegenwärtigen Darstellung Verhältnis zwischen Bestimmtheit und Bestimmbarkeit genannt wurde, heißt im Buch Quantität, zuweilen auch Quantibilität. Dies hat zu Missverständnissen Veranlassung gegeben. Quantität hat eigentlich nur das Setzende. Aber davon ist hier noch gar nicht die Rede. Der 3. Paragraph würde jetzt der 2. sein, und umgekehrt. Mit dem NichtIch ist abermal[s] ein anderer Weg eingeschlagen worden, das NichIch ist nicht unmittelbar, sondern mittelbar postuliert worden.
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Wissenschaftslehre nova methodo, S. 44   


Nota. -  Die erste Darstellung der Wissenschaftslehre - Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre - war 1793/94 entstanden als Begleittext zu Fichtes Vorlesung an der Universität Jena und wurde bogenweise an die Studenten ausgegeben. Dass mit dieser Verfahrensweise keine geschlossene Darstellung zu erreichen ist, war zu erwarten. Fichte war sehr bald mit dieser ersten umfassenden Ausarbeitung unzufrieden. Erst 1798 lag mit der WL nova methodo eine neue vollständige Darstellung vor, jedenfalls so weit, dass Fichte sie als Vorlesung vortragen konnte.

Eine schriftliche Ausarbeitung ist nicht mehr zustande gekommen, weil Fichte in Folge des Atheismusstreits zu der Überzeugung kam, dass seine Philosophie in der breiten Öffentlichkeit immer absichtlich oder unabsichtlich missverstanden werden würde, und sich seither auf den mündlichen Vortrag der WL beschränkte. Von der WL nova methodo liegt auch kein eigenhändiges Manuskript vor. Der hier veröffentlichte Text ist die Nachschrift eines Hörers. Es wird nicht jede Silbe authentisch sein. Doch wo immer die Grundlage von 1793/94 Anlass zu Zweifeln gibt, kann dieser Text als ausschlaggebende Erläuterung gelten.
JE


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