Freitag, 8. Juni 2018

Das Quale und die Einbildungskraft.

Frederick Hart, Ex nihilo

Die Vermögen  des Ich müssen selbst deduziert werden; so muss hier bewiesen werden, dass Einbildungskraft ist. Dies ist hier deduziert, weil kein Bewusstsein und kein Ich [ist,] wenn keine Übergehen vom Bestimmbaren aus ist, wenn nicht ein Bestimmbares für uns ist. Dass es eine Einbildungskraft gebe, ist dadurch notwendig.

Ihr entgegengesetzt ist das Fassen des Bestimmten, das Denken, beides ist nicht ohne ein anderes, und beides sind nur verschiedene Ansichten meines ganzen Vermögens. Dies ist dasselbe viel //203// tiefer gefasst als: keine Anschauung ohne Begriff und kein Begriff ohne Anschauung. 

Dann ist anzumerken: Das Bestmmbare ist nicht etwa vor der Einbildungkraft voraus, sondern das Bestimm- bare entsteht eben durch die Einbildungskraft und bloß durch sie. Von der höchsten Synthesis aus ist zu sagen: Ich schaue mich an als einbildend, und dadurch schaue ich ein Bestimmbares [an]. Insofern ist die Einbildungs- kraft absolut produzierend in Rücksicht des Stoffs, so wie überhaupt das Ich produzierend ist; und endlich: Das Objekt der Einbildungskraft ist das Bestimmbare, dasjenige, das alle Tätigkeit im Bestimmen, die doch dem Ich allein zugeschrieben wird, bedingt. 
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 202f.



Nota I. - Das, was 'vorliegt', ist lediglich unbestimmt; nicht einmal bestimmbar, das wird es nur die Begegnung mit einem schlechthin tätigsein-Wollenden: als bestimmbar bestimmt, Stoff. So wie das Ich sich mit seinem aller- ersten Bestimmungsakt erst als solches 'setzt': in Reflexion auf das aus dem Widerstreben des Gegenstands erwachsende Gefühl.

Festzuhalten die Unterscheidung von einbilden = das Bestimmbare als solches setzen, und denken = das Be- stimmte auffassen. Fichte hat eine eigene Terminologie nicht ausbilden wollen, aber an gewissen Stellen er- läutert die Wortwahl einen Gedanken, der anderswo undeutlich bleibt.

21. 3. 17

Nota II. - Etwas bestimmen heißt, es zu einem andern in ein Verhältnis setzen. Erst dann nämlich kann ich es be- greifen. 'So, wie es ganz allein für sich erscheint', mag ich es anschauen. Das ist kein rezeptiver, kein 'leidender', sondern ein qualifizierender Akt: Ich bilde ihm eine Washeit, ein Quale ein. Das dauert, solange ich anschaue. Es schnwindet mit meiner Aufmerksamkeit. Um es in meinem Gedächtnis wiederfinden und erneut ein-bilden zu können, hätte ich es mit einem Merkmal ausstatten sollen, mit dem ich es unter meinen wiederholt bewährten Erinnerungsbildern lokalisieren kann: in ein Verhältnis setzen. Das nenne ich begreifen, den Begriff kann ich 'mir merken' und kann ihn vor allen Dingen einem andern mitteilen. Anders könnte eine 'Reihe vernünftiger Wesen' sich nie ausgebildet haben.

In bestimmtem Gegensatz zum Begreifen steht seither - das Anschauen. Ich neige als schlechthin Wollender dazu, was immer in meinen Gesichtskreis tritt zu bestimmen, indem ich es mit meinen schon gehabten oder neu erfundenen Absichten 'ins Verhältnis setze'. Wenn ich dagegen 'lediglich anschauen' will, muss ich dieser Neigung widerstehen. Ich muss mich gewollt in den "ästhetischen Zustand" versetzen, wie Schiller ihn nennt.
JE

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