Montag, 4. Juni 2018
Kraft wird nicht angeschaut, sondern gedacht.
Die sinnliche Kraft in Beziehung auf unser Denken ist zuförderst ein Begriff, der aber nicht entsteht durch An- schauung eines Objekts, sondern durch das Denken des Mannigfaltigen in einer gewissen Verbindung. Kraft ist daher ein synthetischer Begriff, sie wird nicht angeschaut, sondern gedacht. Wenn ich das Mannigfaltige des Gefühls, das zufolge des Wollens entstehen soll, zusammenfasse, so bekomme ich den Begriff von Kraft.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 131
Nota I. - Die Vorstellung der Wirkung alias Kausalität kommt zustande, indem zwischen die Anschauung von Vorher und Nachher unversehens eine Kraft hinzugedacht wird. Gedacht, nicht angeschaut. Kausalität kommt nicht als Erfahrungstatsache vor, sondern als metaphysische Spekulation.
21. 4. 15
Nota II. - Kraft ist ein Schlüsselbegriff der modernen Physik. Aber eben nicht einer, der aus der Anschauung eines wirklichen Geschehens - und sei es eines im Labor - hervorgegangen ist, sondern einer, der durch speku- lierende Reflexion erschaffen wurde. Und zwar dies sowohl im individuellen Einzelfall, als auch 'überhaupt': Denn (stillschweigend) vorausgesetzt ist die Vorstellung eines Ganzen (von Mannigfaltigen des Gefühls), das einen Zustand ausmacht, der sich gleich bleibt. Will ich mir eine Veränderung des Zustands vorstellen, muss ich ein X denken, das hinzukommt. X nenne ich Kraft. Sie ist es, die aus einem vorherigen Zustand eine Ursache und aus dem folgenden Zustand eine Wirkung macht. Ohne Anschauung ist sie nicht zu denken; aber sie denken ist kein Anschauen.
Doch das ist nicht alles. Stelle ich mir eine Kraft vor, die von hier nach da wirkt, so muss ich mir dazu einen Terminus a quo vorstellen: eine Substanz, in der die Kraft ihren Sitz hat. Die Naturwissenschaft mag sich behel- fen, indem sie das Problem vor sich her schiebt. Aber die transzendentale, nämlich kritische Philosophie gibt sich damit nicht zufrieden. Sie kann sich eine Substanz nur als Subjekt - oder gar nicht denken.
JE
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