Samstag, 4. Juli 2015

Das Übersinnliche ist Schema des Handelns.




[Kant] sagt, dass unseren sinnlichen Vorstellungen etwas zu Grunde liege, dass es Noumene gäbe; er hat sich nicht ausdrücklich darüber erklart; er nennt es etwas, es ist aber nicht etwas, das Sein hat, sondern Handeln.

Er hat sich nicht auf das Schema für übersinnliche Gedanken eingelassen. Man kann das Übersinnliche nicht erkennen, aber da sie [sic] doch für uns da sind, so müssen sie sich doch erklären lassen. Das Schema fürs Übersinnliche ist das Handeln. [S. 113]

Kant nennt ein Tun z. B. nach dem Gesetze der Kausalität pp* ganz richtig ein Schema, um dadurch zu bezeichnen, dass es nicht Wirkliches, sondern etwas durch ideale Tätigkeit zum Behuf der Anschauung zu Entwerfendes sein soll.

Schema ist ein bloßes Tun, und zwar mein notwendiges Tun in der Anschauung. ...

Die Aufgabe ist: nicht einem bestimmten Tun, z. B. Denken, Anschauen pp, sondern einem Tun überhaupt zuzusehen. Die Aufforderung ist: eine Agilität zu beschreiben; diese kann man nur anschauen als eine Linie, die ich ziehe. Also innere Agilität ist ein Linie-Ziehen. Nun aber ist hier nicht die Rede von einer Agilität, die geschieht, sondern von einer Agilität überhaupt; von einem bestimmbaren, aber nicht bestimmten Vermögen der inneren Selbsttätigkeit und Agilität. So eine Linie ist aber bestimmt der Direktion nach. In dem Vermögen aber müssen alle Linien liegen, das Schema des Tuns muss ein nach allen möglichen Direktionen mögliches Linienziehen sein; dies ist der Raum, und zwar leerer Raum, aber leerer Raum kommt nie vor, es wird immer etwas hineingesetzt. Warum, wird sich zeigen. Hier ist nur vom Tun die Rede, aber auch das bloße reine Tun ist nichts Erscheinendes. [S. 110]

*) für perge perge: und so weiter.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 113; 110


Nota. - Gr. schêma heißt Haltung, Gestalt, Figur. F. übernimmt den Begriff von Kant, aber er bestimmt ihn anders, oder richtiger: Er bestimmt ihn, wenn auch so allgemein wie denkbar möglich, während jener ihn ganz unerklärt als bloßen Namen gebraucht für die 'Methode, einem gewissen Begriffe gemäß etwas in einem Bilde vorzustellen'. Immerhin stimmen sie darin überein, dass das Schema ein Bild ist, aber kein von der Einbildungs- kraft angeschautes, sondern ein im Denken vorgestelltes Bild; eine Art Anschauung zweiter Ordnung. Dieses ist das Geheimnis der Noumena, der Dinge-an-sich, des Übersinnlichen überhaupt. Es ist das Geheimnis des dialekti- schen Scheins, wie Kant selber ihn nennt: der Vorstellung, dass den Begriffen eigene Realität zukommt.
JE 







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