Dienstag, 19. Januar 2016
Am Ich ist nichts anschaubar als sein Übergehen.
Es entsteht also eine Veränderung im Zustande des Ich. / Es sind sonach vorhanden zwei Gefühle A und B (bloße Gefühle der Beschränktheit); was nach dem vorigen Paragraphen aus dem Gefühle überhaupt, und hier aus dem Gefühle A erfolgt, das muss auch in dem Gefühle B erfolgen. Da aber die Gefühle A und B verschie-den sind, so muss auch alles, was aus ihnen erfolgt, verschieden sein. Dies eröffnet uns eine wichtige Aussicht, welche sich uns über das Innere des menschlichen Geistes mehr verbreitet [sic].
Vor der Hand ists uns um die Vereinigung dieser verschiedenen Gefühle im Bewusstsein zu tun. Dies wird uns weiter führen.
Oben Paragraph 6 hatten wir eine ähnliche Frage aufgeworfen: wie das Mannigfaltige des Gefühls auf einander bezogen und und unterschieden werden könne. Dies hat die materiale Schwierigkeit gelöst, nicht aber die for-male: Worin werden denn die zwei Zustände vereinigt? Wenn ich sage: Das Gefühl A, beziehe ich mich auf meinen ganzen Zustand; so B. Mein Zustand ist in A und B ganz, nur dass jetzt ein A, dann ein B abgerechnet ist, dann habe ich einen Faden, woran ich A und B festhalte. Aber woran halte ich diesen Faden fest? Wir ha-ben ein was, aber kein wie, das diesen Zustand festhält.
Man sehe die Vereinigung an als die Vereinigung der entgegengesetzten Gefühle A und B, oder als entgegen-gesetzte Zustände an [sic]. Das ganze System der Sensibilität kann nicht gefühlt werden, denn sie ist nichts Po-sitives, sondern lediglich ein Verhältnis. Aber schon oben haben wir gefunden, dass die Tätigkeit des Ich nur angeschaut werden kann als ein Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Man kann daher auch sa-gen, in Absicht des Ich ist nichts anschaubar als das Übergehen.
Also jenes Übergehen, das nicht gefühlt werden kann, weil es nichts Positives ist, müsste etwa angeschaut wer-den; wir wissen aber noch nicht, wie oder ob eine solche Anschauung möglich sei. Wir wissen nur, dass sie nicht gefühlt werden könne. Doch aber muss, wenn der Übergang da sein soll, dieser für das Ich da sein.
_________________________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 88f.
Nota. – "Nichts Positives, sondern lediglich ein Verhältnis": Dies ist festzuhalten. Nichts Positives, sondern lediglich ein Verhältnis ist das System der Sensibilität. Das bezieht sich auf unsere tatsächliche Sinnlichkeit. In der Tat fühlen wir nicht unsere Gesamtbefindlichkeit, sondern immer nur das, was sich daran ändert und aus dem Verhältnis als Einzelnes heraustritt.
Nichts Positives, sondern nur ein Verhältnis ist aber 'das Ganze' überhaupt. Das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile, heißt es seit Aristoteles. In seiner organologischen, fast animistischen Vorstellungswelt hat er zwi-schen Realem und Idealem nicht unterschieden. So aber Fichte: Idealiter ist 'das Ganze' nicht mehr als die Sum-me seiner Teile, sondern etwas anderes; nämlich ein Verhältnis – kein Was, sondern ein Wie. Als solches 'er-scheint' es erst auf einer höheren Reflexionsebene; 'mehr' ist ein völlig unpassender Ausdruck.
JE
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen