Samstag, 2. Januar 2016

Ein Gefühl ist aber gar nicht, ohne dass es gefühlt wird.


Idrac, L'amour piqué par une guêpe

Was ist das nun für ein Bewusstsein, das mit dem Triebe ver-/knüpft werden soll? 

Mit dem Bewusstsein, das wir bis hieher kennen, mit der Anschauung, verhält es es sich so: Wir erblicken in ihr Reales und Ideales getrennt; das erstere hat sein vom Idealen unabhängiges Sein, das letzte sieht nur zu. Bei dem Bewusstsein, von dem wir hier reden, kann dies der Fall nicht sein, es gibt hier kein reales Sein, es wird nicht gehandelt, sonach müsste hier Ideales und Reales zusammenfallen. Das Ideale wäre hier sein eigner Ge-genstand, ein unmittelbares Bewusstsein, und dieses ist ein Gefühl.

Man fühlt kein Objekt. Das Objekt wird angeschaut. Jedes Objekt, sogar ein Handeln, soll etwas sein, ohne dass ich mir eben desselben bewusst würde. Der transzendentale Philosoph erinnert freilich, dass etwas ohne Bewusstsein nicht sein könne, aber der gemeine Menschenverstand sieht das nicht so an. Man unterscheidet Handeln und Bewusstsein. Ein Gefühl ist aber gar nicht, ohne dass es gefühlt wird, die Reflexion ist mit dem Gefühl notwendig verbunden. Das Gefühl ist ein bloßes Setzen der Bestimmtheit des Ich.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 67f.  


Nota. - Von einem gewissen Standpunkt aus sind Gefühl und Bewusstsein zweierlei, aber hier an dieser Stelle ist Gefühl noch das einzige bewusst-Sein, von dem die Rede sein kann. Die Begriffe bezeichnen bei Fichte eben nicht unveränderliche Wesenheiten, sondern sind stets Denkanweisungen im konkreten Kontext.
JE  




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