Samstag, 30. April 2016

Die reale Tätigkeit des Ich gibt es nur als ideale; und umgekehrt.

Vertigo

4) Die ideale und reale Tätigkeit sollen hier gegeneinander noch schärfer bestimmt werden.

A) Keine reale Tätigkeit des Ich ohne ideale. Denn das Wesen des Ich besteht in dem sich selbst Setzen; soll die Tätigkeit des Ich real sein, so muss sie durch das Ich sein; das aber, wodurch sie gesetzt wird, ist die ideale.

Dem Naturobjekte schreiben wir Kraft zu, aber nicht Kraft für sich, weil es kein Bewusstsein hat. Nur das Ich hat Kraft für sich.

B) Umgekehrt keine ideale Tätigkeit des Ich ohne reale. Eine ideale Tätigkeit ist eine durch das Ich gesetzte, die wieder Objekt der Reflexion geworden ist und wieder durch ideale Tätigkeit vorgestellt wird. Sonst wäre das Ich wie ein Spiegel, der wohl vorstellt, aber sich selbst nicht wieder vorstellt. – 

Dies wieder-Objekt-Sein der idealen Tätigkeit ist mit dem Ich postuliert. Aber dies Objektmachen geschieht durch reale Tätigkeit. Ist letztere nicht, so ist kein Selbstanschauen der idealen Tätigkeit möglich. Die ideale Tätigkeit hätte nichts ohne die reale, und sie wäre nichts, wenn ihr nicht durch reale [Tätigkeit] etwas hingestellt würde.
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 48




Möglichkeit ist Tätigkeit - auf eine andere Art angeschaut.



Vermögen ist nichts als die Tätigkeit, auf eine andere Art angeschaut. Jeder Akt wird nur angeschaut, indem er durch ein Vermögen erklärt wird, so ists auch beim Akt der absoluten Freiheit. Ein Vermögen ist nicht ohne Tätigkeit und eine Tätigkeit nicht ohne Vermögen: Beide sind eins, sie werden nur aufgefasst von verschiedenen Seiten. Als Anschauung aufgefasst, gibt’s die Tätigkeit, als Begriff das Vermögen.

/ 3. Der scharfe Unterschied zwischen idealer und realer Tätigkeit lässt sich leicht angeben. Die ideale Tätigkeit ist ein Tätigkeit in Ruhe, ein in die Ruhe Setzen, ein sich im Objekte Verlieren, ein im Objekte fixiertes Anschauen.

Die reale Tätigkeit ist wahre Tätigkeit, die ein Handeln ist. Die ideale Tätigkeit kann auch in Bewegung sein, kann auch sein ein Übergehen; und beim Anschauen der Freiheit ist die ideale Tätigkeit wirklich ein solches Übergehen, nämlich dieses Übergehen ist ein Anschauen nicht durch das Anschauen selbst, sondern es folgt aus dem Objekte, das angeschaut wird. 

Hier ists die Freiheit. Es ist im Anschauen nur ein Abdruck, ein Nachbild. Die ideale Tätigkeit hat den Grund ihres Bestimmtseins nicht in sich selbst, wie die reale, sie ist daher ruhend. Der Grund der idealen Tätigkeit liegt in dem Realen, das sie vor sich hat.

Beide Tätigkeiten sind bloß begreiflich durch Gegensatz.
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 47f.





 



Nota - Obige Bilder gehören mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

Freitag, 29. April 2016

Das Wirkliche ist die Aktualisierung eines Möglichen.



2) Die Tätigkeit, die sich darin äußert, soll heißten reale Tätigkeit; der Akt, durch welchen sie sich äußert, ein praktischer; das Feld, worin sie sich äußert, das praktische. Diesem Akte haben wir zugesehen und sehen ihm noch zu. Die Tätigkeit, womit dies geschieht, soll heißen ideale Tätigkeit.

Ich, das Anschauende, idealiter Tätige, finde nun diesen Akt der absoluten Freiheit. Aber ich kann ihn nicht finden noch ihn beschreiben, ohne ihm etwas entgegenzusetzen. Ich bestimme mich selbst heißt: Ich erhebe eine Möglichkeit zur Wirklichkeit, ein Vermögen zur Tat. 

Den Akt der Selbstbestimmung durch absolute Freiheit bestimme ich durch ein Vermögen, mich durch absolute Freiheit zu bestimmen. Vermögen soll heißen, Möglichkeit zur Tätigkeit; dies kann man aber nicht verstehen ohne das Reflexionsgesetz aufzustellen, wodurch der Begriff desselben entsteht.
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 47







Nota - Obige Bilder gehören mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

Donnerstag, 28. April 2016

Die Grenze aller Gründe.



Die Handlung des sich selbst Setzens des Ich ist ein Übergehen von der Unbestimmtheit zur Bestimmtheit. Wir müssen / darauf reflektieren, wie das Ich es macht, um von der Unbestimmtheit zur Bestimmtheit überzugehen.

1) Hier gibt es keine Gründe; wir sind an der Grenze aller Gründe. Man muss nur zusehen, was man da erblicke. Jeder wird sehen: Es gibt da kein Vermittelndes. Das Ich geht über, weil es übergeht, es bestimmt sich, weil es sich bestimmt, dies Übergehen geschieht durch einen sich selbst begründenden Akt der absoluten Freiheit. 

Es ist ein Erschaffen aus nichts, ein Machen dessen, was nicht war, ein absolutes Anfangen. In der Unbestimmtheit liegt nicht der Grund der nachfolgenden Bestimmtheit, denn beide heben sich auf. Im Moment A war ich unbestimmt, mein ganzes Wesen wurde in dieser Unbestimmtheit aufgehoben. Im Moment B bin ich bestimmt, es ist etwas Neues da; dieses kommt aus mir selbst: Das Übergehen geht in einen in sich selbst begründeten Akt der Freiheit über.
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 46f. 







Nota - Obige Bilder gehören mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

Mittwoch, 27. April 2016

Die Freiheit ist der erste Grund und die erste Bedingung alles Seins und alles Bewusstseins.

Piccirilli, Maine

§ 3 (1798)

Jenes Übergehen als solches wird angeschaut als seinen Grund schlechthin in sich selbst haben, die Handlung dieses Übergehens heißt drum reale Tätigkeit, welche der idealen, die die erste bloß rein abbildet, entgegengesetzt wird; sonach wird die Tätigkeit des Ich in diese beiden Arten derselben eingeteilt.

Nach dem Grundsatze der Bestimmbarkeit ist ein reales Handeln nicht zu setzen ohne ein reales oder praktisches Vermögen. Reale und ideale Tätigkeit sind durch einander bedingt und bestimmt, eine ist nicht ohne die andre, und was die eine sei, lässt sich bloß durch die andere begreifen. In diesem Akte der Freiheit wird das Ich sich selbst Objekt. Es entsteht ein wirkliches Bewusstsein, an dessen Punkt von nun an alles angeknüpft werden muss, was Objekt desselben sein soll. Die Freiheit ist sonach der erste Grund und die erste Bedingung alles Seins und alles Bewusstseins.
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 46 


Dienstag, 26. April 2016

Bewusstsein entsteht aus dem Zwiespalt.




... Ich und NichtIch sind nur Teile des Mannigfaltigen, sie liegen in demselben Bewusstsein, sie sind nicht zu trennen, beide sind partes integrantes. Darin liegt das Beschränken, was eines ist, ist das andere nicht; aber es heißt nicht, das Ich ist wieder zu teilen, und das NichtIch. Es soll heißen: Das Bewusstsein ist teilbar in Ich und NichtIch.

[...] Ich und NichtIch sind nun beide etwas heißt: Man kann ihnen Prädikate zuschreiben, dies geschieht nur durch Gegensetzen.

[...] Es ist bloß bewiesen, wenn das Ich zum Bewusstsein kommen solle, so müsse es ein NichtIch setzen, aber es ist nicht bewiesen, dass es dazu kommen solle.
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 46 


Nota. - Wenn das Ich soll, dann muss es... Soll es? Vorwärts schauend ist das nicht zu beweisen. Aber die Wissenschaftslehre hat begonnen, indem sie rückwärts schaute: Ausgangspunkt ist das Faktum der Vernünftigkeit und die Gegebenheit einer 'Reihe vernünftiger Wesen'. Diese Fakten will sie erklären (oder verstehen: das ist hier dasselbe). Dazu muss sie zuerst die Bedingungen auffinden. Wo die allein zur Begründung nicht ausreichen, muss und darf sie daher einen Akt der Freiheit postulieren und hinzufügen. So auch hier: Weil das Ich zu Bewusstsein gekommen ist, muss es sich ein Nichtich entgegengesetzt haben.
JE






Nota - Obige Bilder gehören mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

Montag, 25. April 2016

Im Begriff ist das Bewusstsein ruhend.




Im Bewusstsein dieses Handelns liegt das, wovon übergegangen wird; das, wozu übergegangen wird, und das Handeln selbst. Das Bewusstsein ist kein Akt, es ist ruhend, in ihm ist Mannigfaltigkeit, über welche das Bewusstsein gleichsam hinüber geführt wird. Im Bewusstsein ist alles zugleich vereinigt und getrennt. Dies bedeutet die Schranken, Teilbarkeit, Quantitätsfähigkeit
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 45   


Nota. - Bisher kam bewusst-Sein stets als sich-bewusst-Machen vor. Doch im Begriff  ist auch dieses Tun als Ruhe vorgestellt. Und nur so kann Vielheit in ihm gedacht werden.
JE








Nota - Obige Bilder gehören mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

Sonntag, 24. April 2016

Quantität bedeutet bei Fichte Teilbarkeit.



Vergleich mit dem Compendio §§ 2 et 3.

Hatten wir hier [Grundlage...] etwas postuliert, so wäre es das Erkenntnis überhaupt des Übergehens vom Ich zum Vorgestellten. Dass diese Erkenntnis, dies Objektive bestimmt sein müsse, ist in der Anschauung nachgewiesen. Aus dieser notwendigen Bestimmtheit ist Bestimmbarkeit und aus dieser das NichIch deduziert.  

In diesem Stücke nun [WL nova methodo] ist der beobachtete Gang völlig umgekehrt. Es wird das ausgegangen vom Entgegensetzen des NichtIch, und es wird postuliert als absolut (§2). Aus diesem Entgegensetzen wird das Bestimmen abgeleitet (§3). Beide Wege sind richtig; denn die notwendige Bestimmtheit des Ich und das notwendige Sein des NichtIch stehen im Wechsel. Man kann von einem zum andern übergehen. Beide Wege sind möglich.

Aber gegenwärtiger hat die Vorzüge: Die Bestimmtheit des Ich ist zugleich Verbindungsmittel zwischen Ich und NichtIch. Was nach der gegenwärtigen Darstellung Verhältnis zwischen Bestimmtheit und Bestimmbarkeit genannt wurde, heißt im Buch Quantität, zuweilen auch Quantibilität. Dies hat zu Missverständnissen Veranlassung gegeben. Quantität hat eigentlich nur das Setzende. Aber davon ist hier noch gar nicht die Rede. Der 3. Paragraph würde jetzt der 2. sein, und umgekehrt. Mit dem NichtIch ist abermal[s] ein anderer Weg eingeschlagen worden, das NichIch ist nicht unmittelbar, sondern mittelbar postuliert worden.
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 44   


Nota. -  Die erste Darstellung der Wissenschaftslehre - Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre - war 1793/94 entstanden als Begleittext zu Fichtes Vorlesung an der Universität Jena und wurde bogenweise an die Studenten ausgegeben. Dass mit dieser Verfahrensweise keine geschlossene Darstellung zu erreichen ist, war zu erwarten. Fichte war sehr bald mit dieser ersten umfassenden Ausarbeitung unzufrieden. Erst 1798 lag mit der WL nova methodo eine neue vollständige Darstellung vor, jedenfalls so weit, dass Fichte sie als Vorlesung vortragen konnte.

Eine schriftliche Ausarbeitung ist nicht mehr zustande gekommen, weil Fichte in Folge des Atheismusstreits zu der Überzeugung kam, dass seine Philosophie in der breiten Öffentlichkeit immer absichtlich oder unabsichtlich missverstanden werden würde, und sich seither auf den mündlichen Vortrag der WL beschränkte. Von der WL nova methodo liegt auch kein eigenhändiges Manuskript vor. Der hier veröffentlichte Text ist die Nachschrift eines Hörers. Es wird nicht jede Silbe authentisch sein. Doch wo immer die Grundlage von 1793/94 Anlass zu Zweifeln gibt, kann dieser Text als ausschlaggebende Erläuterung gelten.
JE


Samstag, 23. April 2016

Der Begriff des Seins ist kein ursprünglicher, sondern ist von der Tätigkeit abgeleitet.



§2

Man werde ferner finden, wird behauptet, dass man sich im Entwerfen des Begriffs vom Ich nicht tätig setzen könne, ohne diese Tätigkeit als eine durch sich selbst bestimmte, und diese nicht ohne ein Übergehen von der Unbestimmtheit oder Bestimmbarkeit zu setzen, welches Übergehen eben die bemerkte Tätigkeit ist ( N. 1 et 2 supra). 

Den durch die bestimmte Tätigkeit entstandenen Begriff könne man gleichfalls nicht fassen, ohne ihn durch ein entgegengesetztes NichIch zu bestimmen, das Bestimmbare sei dasselbe, was oben das Ruhende war (§1), weil es eben zur Tätigkeit bestimmt wird, und das, was in Beziehung auf die Anschauung des Ich Begriff desselben sei, sei [in Beziehung] auf das NichtIch Anschauung. / Es sei nämlich Begriff des Anschauens (N. 4). 

Dem NichtIch komme zu Folge der Entgegensetzung zu der Charakter der Negation der Tätigkeit, das ist der des Seins, welcher der Begriff aufgehobener Tätigkeit, sonach nicht ein irgend ursprünglicher, sondern ein von der Tätigkeit abgeleiteter und negativer sei.
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 43f.   


Nota. - Das ist der wesentliche Unterschied zwischen der rationellen Dialektik Fichtes und ihrer Hegel'schen Mystifikation: Positio und Negatio sind nicht gleich-ursprünglich; Sein setzt Tätigkeit voraus, die sie negiert, und beide setzen voraus einen Tätigen und Negierenden, für den sie sind. - Den Tätigen und die Tätigkeit scheidet Hegel aus, für ihn sind Sein und Nichts 'an sich' da, Tätigkeit entsteht erst aus dem Gegensatz beider; bei H.'s Subjekt-Objekt ist auch die subjektive Seite ein Objektivum.
JE

Freitag, 22. April 2016

Mit der Reflexion beginnt das Denken in specie.



§ 2 (diktiert 1798)
Jene Tätigkeit der Reflexion als solche, durch welche die Intelligenz sich selbst setzt, wird, wenn sie angeschaut wird, angeschaut als eine sich bestimmende Agilität, und diese wird angeschaut als ein Übergehen aus dem Zustande der Ruhe und Unbestimmtheit, die jedoch bestimmbar ist, zu dem der Bestimmtheit. 

Diese Bestimmbarkeit erscheint hier als das Vermögen, Ich oder NichtIch zu denken, und es werden sonach in dem Begriffe der ersten die beiden letzten Begriffe notwendig mitgedacht und einander gegenüber gesetzt. Beide Begriffe erscheinen sonach bei Erregung der selbsttätigen Reflexion als etwas unabhängig von derselben Vorhandenes, und der Charakter des NichtIch ist das Sein, eine Negation.
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 43   


Nota. - An sich wäre es richtig, jede Art der Vorstellungstätigkeit als Denken zu bezeichnen, doch dann wäre eins der beiden Wörter überflüssig. Andererseits versteht auch die Umgangssprache unter Denken in einem spezfischen Sinn das Überlegen und Nachdenken. Das aber ist Reflexion; sie bedarf der Begriffe, bei denen ich 'mir etwas denke', und der logischen Regeln, die sich überprüfen lassen. Das sind nämlich die Voraussetzungen, die mein Denken mitteilbar und fürs Erinnern speicherbar machen. - Ein Vorstellen ohne das kann ich - woher denn? - auch den Tieren nicht absprechen; doch wenn sie eines hätten, bliebe es - ohne Mitteilung und Erinnerung - folgenlos; so gut, als ob es gar nicht 'da' wäre.
JE.





Donnerstag, 21. April 2016

Das Beabsichtigte und das Gefundene.


Wir haben oben gesehen: Auf der Notwendigkeit des Entgegensetzens beruht der ganze Mechanismus des menschlichen Geistes; die Entgegengesetzten sind ein und dasselbe, nur angesehen von verschiedenen Seiten. Das Ich, welches in dem Beabsichtigten liegt, und das NichtIch, welches in dem Gegebenen liegt, sind ein und dasselbe. Es sind nur zwei unzertrennliche Ansichten darum, weil das Ich Subjekt-Objekt sein muss. Aus letztem Satze geht alles hervor.

Aus der ursprünglichen Anschauung entstehen zwei Reihen, die subjektive oder das Beabsichtigte und das Objektive oder das Gefundene; beide können nicht getrennt werden, weil sonst keine von beiden ist. Beide Ansichten desselben, subjektive und objektive, sind beisammen, heißt: Sie sind nicht nur in der Reflexion unzertrennlich, sondern sie sind auch als Objekte der Reflexion eins und dasselbe. Die Tätigkeit, die in sich zurückgeht, welche sich selbst bestimmt, ist keine andere als die Bestimmbare, es ist dieselbe und unzertrennliche.

Das NichtIch ist also nichts anderes als eine andere Ansicht des Ich. Das Ich als Tätigkeit betrachtet gibt das Ich, das Ich in Ruhe betrachtet das NichtIch. Die Ansicht des Ich / als Tätiges kann nicht stattfinden ohne die Ansicht des Ich als Ruhenden [sic], d. h. NichtIch. Daher kommts, dass der Dogmatismus, der das Ich nicht in Tätigkeit denkt, gar kein Ich hat. Sein Ich ist Akzidens des NichtIch. Der Idealismus hat kein NichtIch, das NichtIch ist ihm nur eine andere Ansicht des Ich. Im Dogmatismus ist das Ich eine besondere Art vom Dinge, im Idealismus das NichtIch eine besondere Weise, das Ich anzusehen.
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 42f.   




Nota. Ich habe lange nach einer passenden Illustration gesucht, aber nichts gefunden. Da habe ich schließlich ein Bild bloß nach Schönheit ausgesucht. Beabsichtigen Sie gar nicht erst, einen tieferen Sinn darin zu finden.

Übrigens gehört mir dieses Foto nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
JE

Mittwoch, 20. April 2016

Sein ist der Charakter des Nichtich.



So hat der gemeine Menschenverstand, ohne es zu wissen, die Sache immer genommen. Mit der Existenz der Welt wollte er sich nicht begnügen, er stieg zu einem Schöpfer auf.

Sein ist Charakter des NichtIch, der Charakter des Ich ist Tätigkeit, der Dogmatismus geht vom Sein aus und erklärt dies fürs Erste, Unmittelbare.

Indem die Tätigkeit des Ich ruhend ist in C, ist die Tätigkeit des Ich vernichtet durch das NichtIch. Jene Tätigkeit in C, die nicht eigentlich Tätigkeit ist, die man aber nennen kann die Substanz des Ich, zeigt sich wenigstens in so fern als Tätigkeit, dass sie eine Anschauung ist. Das Entgegengesetzte wäre sonach keine Anschauung, es wäre reelle Negation des Anschauens, ein Angeschautes; dies wäre abermals der Charakter des NichtIch, daher ist das NichtIch als Ding an sich eine Absurdität. Es muss immer bezogen werden auf ein Anschauendes.
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 42  




Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.

Dienstag, 19. April 2016

Sein ist eine negative Größe.

Fingal's cave

Indem C dem D entgegengesetzt wird, ist es allerdings Tätigkeit, die durch freie Selbstbestimmung zur wirklichen Tätigkeit hervorgerufen werden kann. Es ist Tätigkeit dem Wesen nach (C ist Tätigkeit des Ich als Substanz betrachtet, wovon weiter unten, denn hier bleibt es bloße Redensart.) Das Gegenteil dieser Tätigkeit D wäre nun reelle Negation von Tätigkeit, nicht bloß Privation, die Tätigkeit Aufhebendes, Vernichtendes, nicht Zero, sondern negative Größe. Dies ist der wahre Charakter des eigentlichen Seins, dessen Begriff man mit Unrecht für einen ersten unmittelbaren gehalten hatte – denn der einzige unmittelbare Begriff ist der der Tätigkeit.

Sein negiert in Beziehung auf ein außer dem Sein gesetztes Tätiges; durch Sein wird Machen aufgehoben. Was ist, kann nicht gemacht werden. Sein negiert Zweck in Beziehung auf das Setzende; was ich bin, kann ich nicht werden.
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 41  


Nota. - font-family: "garamond" , serif;"> In den Fassungen der Wissenschaftslehre nach 1800 lesen wir es anders; lesen wir ganz ausdrücklich das Gegenteil. Er meinte wohl bis zum Schluss, er habe allezeit "dasselbe" gelehrt. Es müsste dann so sein, dass das Gegenteil hier in einem besonders dialektischen Sinn 'dasselbe' ist. Aber thematisiert hat er diesen merkwürdi- gen Umstand nicht. Ich darf daher auf meiner Auffassung beharren: Er hat nach dem Atheismus-Streit den kritisch-transzendentalen Standpunkt zugunsten eines metaphysisch-konstruierenden, transzendenten Standpunkts aufgegeben. Ich darf weiter von Fichtes dogmatischer Wendung sprechen. 
JE




Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.

Montag, 18. April 2016

Ein Begriff kann Verschiedenes bedeuten, je nachdem er in verschiedenem Verhältnis gesetzt wird.


Im vorigen Paragraphen war C nur Begriff, hier ist es Begriff und Anschauung. In der Folge wird es Anschauung sein; es kann Verschiedenes bedeuten, je nachdem es in verschiedenem Verhältnisse gesetzt wird.

Das Ich in C wurde gefunden als sich selbst setzend; wurde in C nicht in Tätigkeit, sondern in Ruhe gefunden, als ein sich selbst setzendes Gesetztes. Seine Tätigkeit als solche ist aufgehoben, sie ist eine ruhende Tätigkeit, die aber doch eine Anschauung ist und bleibt. Wie nun allenthalben die Anschauung einem Begriffe entgegensteht und sie selbst nur durch diesen Begriff möglich ist, so ists auch hier. 

Dies [dem] C Entgegengesetzte ist nun das, was wir oben D nannten. Der Charakter des Begriffs überhaupt ist Ruhe, nun ist C als Anschauung betrachtet schon Ruhe, da nun D in Rücksicht auf C Ruhe ist, so ist es Ruhe der Ruhe; was ist nun D?
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 41  



Nota. - Die Anschauung ist 'nur durch den Begriff möglich'; vgl. Anmerkung gestern.  
JE



Nota II. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
JE

Sonntag, 17. April 2016

Anschauen ist nachbilden; begreifen ist nachbilden der Anschauung.


Artemisia Gentileschi

Schon im ersten Paragraphen fanden wir, dass keine Anschauung, also auch die Anschauung A nicht, möglich ist ohne Begriff. Welcher Begriff muss mit der Anschauung A verknüpft werden? Etwa der beabsichtigt B? Offenbar nicht, denn der, den wir suchen, muss im Gegebenen liegen, dieser Begriff wäre sonach der, durch den die Anschauung A bedingt wird, = C, das Bestimmbare oder ruhende Tätigkeit. Also C ist in Beziehung auf die Anschauung A der Begriff, der sie bedingt.

Dieser Begriff C ist nun in anderer Beziehung auch Anschauung zu nennen. Er ist das unmittelbare Bewusstsein selbst, das nicht angeschaut, sondern begriffen wird; nicht als Tätigkeit, sondern als Ruhe. Dieser Begriff ist das in der Anschauung A Nachgemachte. (Alles Anschauen ist ein Nachbilden.) Dieser Begriff ist der unmittelbare und höchste, gegründet auf die intellektuelle Anschauung, die als solche nie Objekt des Bewusstseins wird; aber wohl als Begriff, in diesem Begriff und vermittelst dieses Begriffes findet das Ich sich selbst und erscheint sich als gegeben.

Ich kann mich nicht anders begreifen denn als Ich, das heißt als sich selbst Setzendes, also als Anschauendes. Jener Begriff ist also der Begriff eines Anschauens und in dieser Rücksicht selbst Anschauung zu nennen. Das Ich ist sich selbst setzend (ein sich selbst setzendes Auge), und als solches wird  / es begriffen, also begriffen als Anschauung. C ist Begriff in Beziehung auf A, Anschauung in Beziehung auf ein mögliches x. Ich finde mich anschauend als anschauen Etwas x. (Die innere und äußere Anschauung ist bei Kant nur sinnlich, das Ich erscheint bei ihm nur als bestimmt, bei mir aber als bestimmend.)
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 40f.


Nota. - "...ist in Beziehung auf die Anschauung A der Begriff, der sie bedingt": So steht es da; nicht: den sie bedingt. Es sind ja nicht zwei verschiedene und womöglich aufeinander folgende Handlungen, sondern jeweils nur andere Ansichten ein und desselben Aktes. Ohne das Begreifen gibt es so wenig eine Anschauung wie ohne Anschauung einen Begriff.
JE



Samstag, 16. April 2016

Soll aber das Ich Objekt des Bewusstseins werden?



Nun fragt es sich: Ist unser bisheriges Räsonnement eine Deduktion, oder ist wieder etwas vorausgesetzt worden, wie im vorigen Paragraphen? Ist es erwiesen, dass mit dem Ich ein NichtIch vereinigt werden müsse? Oder haben wir wieder etwas vorausgesetzt, und welches könnte das Vorausgesetzte sein?

Durch das Reflexionsgesetz des Entgegensetzens sind wir darauf gekommen, dieses haben wir in der Anschauung nachgewiesen. Dies könnte also das Vorausgesetzte nicht sein. Die Voraussetzung liegt darin: Wir sind ausgegangen von dem Gedanken, wenn das Ich selbst wieder Objekt unseres Bewusstseins sein soll, so folgt, dass ein NichtIch gesetzt werden muss. Aber soll denn das Ich Objekt des Bewusstseins werden? Dies ist nicht bewiesen.

Im vorigen Paragraphen wurde bewiesen, dass allem Bewusstsein unmittelbares Bewusstsein vorausgehen müsse; aber dies ist nie ein Objektives, sondern immer das Subjektive in allem Bewusstsein. Das Bewusstsein, aus dem wir jetzt argumentiert haben, ist nicht unmittelbar, es ist Repräsentation des unmittelbaren, aber es selbst nicht. Das unmittelbare ist Idee und kommt nicht zu Bewusstsein. Das erste Denken des Ich war ein freies Handeln, aber daraus folgt kein notwendiges. Das Bewusstsein des Ich ist nicht ohne Bewusstsein des NichtIch, dies ist bewiesen. Nun können wir zwar postulieren, aber dann müssten wir es auch als Postulat ankündigen; es würde dann Teil des vorausgesetzten Grundsatzes. Ob es notwendig sei, so zu postulieren, werden wir sehen, wenn wir höher steigen. Wir haben weder erwiesen noch bewiesen ein NichtIch, sondern wir hätten bewiesen ein Wechselverhältnis zwischen Ich und NichtIch.

4) Wir haben nun die gegenwärtige Synthesis mit der vorigen zu vergleich und an die Kette anzuknüpfen:

Im vorigen Paragraphen wurde bemerkt, dass man Tätigkeit nicht setzen könne, ohne ihr Ruhe entgegenzusetzen; hier: dass man keine bestimmte Tätigkeit setzen könne, ohne ihr eine bestimmbare entgegenzusetzen. Also das Verfahren in beiden, worauf es ankommt, um vom einen zum andren überzugehen, war in beiden Untersuchungen dasselbe. Die gegenwärtig deduziert Handlung ist mit der vorigen dasselbe, wir lernen sie nur besser kennen. Ist sie dasselbe, so muss auch das, worauf übergegangen wird, dasselbe sein, also Ruhe und Bestimmbarkeit muss dasselbe sein, sie muss in ihr enthalten sein, denn eben wenn eine Tätigkeit als solche noch bloß bestimmbar ist, hat sie den Charakter der Ruhe und ist keine Tätigkeit. Vermögen ist nicht Handlung, sondern das, wodurch Handlung erst möglich wird. Dadurch, dass Tätigkeit begriffen wird, wird sie zum Begriff. [Nota. – Tätigkeit außerhalb der Zeit, jenseits des Verlaufs; d. h. als abgeschlossen betrachtet.JE]

Man könnte auch umgekehrt sagen: So ists mit der Bestimmbarkeit. Nur ist hier die Bemerkung zu machen, dieser Begriff ist nur Begriff in Beziehung auf die Anschauung des Ich, in Beziehung auf das NichtIch ist sie selber Anschauung. In der Anschauung ist die Tätigkeit in Aktion, im Begriff nicht, sondern das ist sie bloßes Vermögen. Wird aber diese Tätigkeit im Begriff bezogen auf das NichtIch, so ist sie Anschauung. Wir dürften sonach zwei Anschauungen bekommen, innere und äußere; intellektuelle und eine andere, die sich auf das NichtIch bezieht.

In diesem Zustande des Gemüts, den wir jetzt betrachten, gibt’s zwei abgesonderte Hälften, die eine ist die des Beabsichtigten, die andere die des notwendig Gefundenen, welches wir nennen wollen das Gegebne. Die Absicht war, eine Tätigkeit zu setzen, und es wurde Ruhe mitgefunden. Die Absicht war ferner, eine bestimmte Tätigkeit zu setzen, und es wurde ein bestimmbare mitgefunden. In der ersten Sphäre ist zweierlei enthalten: erstens in sich zurückgehende wirkliche Tätigkeit = A; zweitens, was durch diese was durch diese Tätigkeit zu Stande gekommen ist = B. In der gegebenen [Sphäre] liegt abermals zweierlei: erstens bestimmbare Tätigkeit (id est bestimmbar zum wirklichen Handeln, denn in anderer Rücksicht mag sie selbst wieder bestimmbar sein) = C. Zweitens das durch diese bestimmte Tätigkeit hervorgebrachte / NichtIch = D.

Dies untersuchen  wir nach der oben vorgetragenen Lehre von der Anschauung und Begriff.

Alles Bewusstsein geht aus von dem oben angezeigten unmittelbare Bewusstsein (§1). Das durch und in diesem Bewusstsein sich selbst Setzende = A ist eine von uns, die wir philosophieren, mit Freiheit der Willkür hervorgebrachte Repräsentation des unmittelbaren Bewusstseins. (Das unmittelbare Bewusstsein ist in allem Bewusstsein das Bewusstseiende, aber nicht das, dessen man sich bewusst ist, das Auge sieht hier das Sehen des Auges). Die Repräsentation brachten wir hervor mit Willkür. Wir hätten auch von etwas anderem reden können; so haben wir zur Seite liegen lassen, ob es nicht in anderer Rücksicht mit Notwendigkeit repräsentiert werden könne. – Diese A, dieses Zuschauen des sich Setzens, ist Anschauung, und zwar innere, intellektuelle Anschauung. –
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 39f.


Nota. - "Dieser Begriff ist nur Begriff in Beziehung auf die Anschauung des Ich, in Beziehung auf das NichtIch ist sie selber Anschauung." Ein Begriff ist nicht an sich ein solcher; sondern stets nur im Verhältnis zu einem Angeschauten, zu dem er sich verhält.
JE 



Nota II. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. 

Freitag, 15. April 2016

Setzen ist entgegensetzen..



Die vorher als bestimmbare Tätigkeit überhaupt zu setzende Tätigkeit wird sonach zum Behufe des Postulats gesetzt als Nichtich, sie geht auf das Gegenteil des Ich. So gewiss also das Ich gesetzt werden soll, so gewiss muss ein Nichtich mitgesetzt werden. Der Charakter des Nichtich geht nun unmittelbar aus dem Gegensatz hervor, denn die Tätigkeit, durch welche ich auf dasselbe komme, ist das einzige Mittel, es zu charakterisieren.

Zuvörderst, dass die Tätigkeit des Ich [darauf gehe], darin sind beide gleich. In beiden Fällen bin ich das Denkende; aber darin sind beide verschieden: Die erste geht auf das in ihr und auf sie Tätige selbst; die entgegengesetzte kann also nur auf ein Ruhendes, sich nicht Setzendes (jedenfalls nicht in dem Sinne, wie das Ich sich setzt) gehen. (Ob ihr in einer anderen Bedeutung das sich Setzen zukomme oder nicht, gehört nicht hierher.)* Es ist etwas für das in unserer Betrachtung sich setzende Ich Vorhandenes. Das sich Setzende findet es. Es findet es nicht als Produkt seiner Freiheit, sondern der Notwendigkeit, die aber eine bedingte ist und nur darum stattfindet, weil das Ich sich erst gesetzt hat. (Ich denke mir das Ich klar heißt: Ich fordere etwas, das NichtIch sein soll.)

Der Begriff des NichtIch ist kein Erfahrungsbegriff, er lässt sich nur aus der Handlung ableiten, durch die er konstruiert wird. Das NichtIch ist ein bloß Gesetztes, etwas, das durch bloßes Sein bestimmt wird. (Tiefer unten wird der Begriff des Seins aus dem Begriff der Tätigkeit, der nicht weiter erklärt werden kann, abgeleitet werden.)

3) Wir reflektieren noch ein wenig über das jetzt Gefundene und darauf, wie wir es gemacht haben. – Alles Anknüpfen an das Ich oder alle Synthesis beruht nach dem vorigen und jetzigen Paragraphen auf einem Entgegensetzen; soll ich etwas anschauen und denken, so muss ich es entgegensetzen. – Dieses Entgegensetzen ist der Grund alles Herausgehens aus dem Ich, im vorigen Paragraphen aus der Anschauung, im gegenwärtigen aus dem Ich selbst. Dort gingen wir aus von der Anschauung und knüpften an sie den Begriff; hier aus dem Ich als Gesetzten und setzen ein NichtIch.

*) [Gemeint ist hier schon die 'Reihe vernünftiger Wesen außer mir'.]
___________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 37f.






Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

Donnerstag, 14. April 2016

Unbestimmtheit ist Bestimmbarkeit.


Das Bestimmte, auf das Denken des Ich Beschränkte wird als Tätigkeit gesetzt und kommt als solche[s] zum Bewusstsein. Mithin kommt auch das Unbestimmte nur durch Tätigkeit zum Bewusstsein, welches wir, weil es in Beziehung auf das Bestimmtsein und mit ihm zugleich gesetzt wird, das Bestimm-/bare nennen wollen. Nach dem obigen ist Tätigkeit nicht ohne Ruhe anschaubar, aber Tätigkeit ist nicht anschaubar außer als bestimmte, aber der Begriff einer bestimmten Tätigkeit ist nicht möglich ohne das Anschauen eines Bestimmbaren.

Es könnte jemand der Einwand kommen, es sei wohl erwiesen worden, dass das Ich nur zu setzen sei durch in sich zurückgehende Tätigkeit; dass Tätigkeit nur zu setzen sei im Gegensatz der Ruhe, dass bestimmte Tätigkeit nur zu setzen sei durch das Setzen eines Bestimmbaren; wenn aber daraus der allgemeine Satz sollte gefolgert werden, kein Bestimmtes ohne Bestimmbares, so sei dies ein Fehlschluss, weil da aus etwas Besonderem ein Allgemeines sollte abgleitet werden. Allein alles Bewusstsein ist ja vermittelt durch das sich selbst Setzen des Ich, alles, was [dem Bewusstsein!] vorkommt, ist Produkt der Tätigkeit des Ich; kommt nun ein bestimmtes Produkt vor, so ist es Produkt einer einmal bestimmten Tätigkeit des Ich. Da nun keine bestimmte Tätigkeit des Ich gesetzt werden kann ohne eine bestimmbare, so gilt dieser Satz allgemein.

2) Nun ist diese bestimmte Tätigkeit nicht eine bestimmte Tätigkeit überhaupt, welches ein Widerspruch wäre, sondern sie ist eine besondere bestimmte Tätigkeit. (Es kann nichts überhaupt, ohne auf eine gewisse Weise bestimmt sein. Aber man kann wohl in der Abstraktion so sagen, allein hier soll nicht abstrahiert, sondern angeschaut werden.) Dieses sich selbst Beschränken, sich Setzen, sich unmittelbar Anschauen, sich seiner selbst bewusst Werden, es bedeutet immer das Anschauen seiner selbst.

Aber die bestimmte Tätigkeit lässt sich nicht setzen, ohne dass die entgegengesetzte Tätigkeit, von welcher das Bestimmte abgezogen wird, mitgesetzt werde. Ein sich Setzen lässt sich nicht verstehen, ohne dass ein sich nicht Setzen zugleich mitgesetzt werde. Es folgt schon aus dem obigen, aber auch aus der Anschauung. Man denkt nicht deutlich und kann nichts deutlich denken, ohne sein Gegenteil zugleich mitzudenken. Dies wird nicht bewiesen, aber jeder, der nur etwas deutlich denkt, wird es in sich finden. So muss man sich beim Setzen des Ich das nicht-Setzen desselben mitdenken. 
_____________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 35f.


Nota. – 'An sich' kommt gar nichts vor. Nur einem Bewusstsein kann etwas vorkommen. An sich ist nichts bestimmt oder unbestimmt; nur in einem Bewusstsein gibt es Bestimmtheit – und folglich Unbestimmtheit. Nur einem Bewusstsein ist etwas deutlich oder undeutlich.

Bestimmbarkeit ist kein Zustand des Wahrgenommenen – Dinge, Phänomene, Gegenstände... – selbst, sondern eine Weise ihrer Gegebenheit für den Wahrnehmenden. Der ist aber, nach dem quasi-anthropologischen ('aufgefundenen') Grund-Satz der Wissenschaftslehre, ein Wollender, nämlich ein bestimmen-Wollender. Unbestimmtes ist daher nicht einfach bestimmbar und kann bestimmt werden, sondern es schreit geradezu danach. Das Unbestimmte ist das schlechterdings zu-Bestimmende.
JE 




Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

Mittwoch, 13. April 2016

Wer Bestimmung setzt, setzt Unbestimmtheit mit.


§2

Beim ersten Schritte, den wir in der Wissenschaftslehre taten, war es uns darum zu tun, dass das Ich nur durch Tätigkeit charakterisiert würde, und wie dies geschähe, denn der Idealismus erklärt alles, was im Bewusstsein vorkommt, aus dem Handeln des Ich, und der kritische Idealismus aus einem notwendigen Handeln, das unter Gesetzen steht. Jetzt ist unser Zweck, besonders anschaulich zu machen, dass das Ich nicht durch alle Tätigkeit, sondern bloß durch in sich zurückgehende Tätigkeit charakterisiert würde. Es ist nämlich nicht gesagt worden, durch alles Handeln, sondern durch ein bestimmtes Handeln ist der Begriff des Ich zu Stande gekommen.

Hierauf wird nun reflektiert.

1) Bei dem, was im vorigen Paragraphen postuliert wurde, soll noch etwas bemerkt werden. Es war dort aufgegeben ein bestimmtes Handeln, [ein] einem anderen auch wohl Denkbaren entgegengesetztes Handeln. Es wurde auf das Zustandekommen des Begriffs vom Ich achtgegeben und auf nichts anderes. Diese Einschränkung wurde bemerkt, und nur in dieser Bemerkung wurde man sich der Tätigkeit bewusst. Dieses Abziehen von jedem möglichen anderen Gegenstande und Hinrichtung auf ein Bestimmtes war eben diese Tätigkeit. So lässt sich alles Handeln denken als ein Einschränken in eine gewisse Sphäre. Alles Bewusstsein der Selbsttätigkeit ist ein Bewusstsein unseres Einschränkens unserer Tätigkeit. Nun kann ich mich nicht anschauen als beschränkend, ohne ein Übergehen von der Unbestimmtheit zur Bestimmtheit zu setzen, also ohne die Unbestimmtheit mit zu setzen und dem Bestimmten entgegenzusetzen. Auf diesen Punkt kommt viel an.
_____________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 35


Nota. - Auf diesen Punkt kommt viel an: Bestimmen und Nicht-Bestimmen sind nicht gleichrangig. Erst durch Bestimmtheit wird Unbestimmtheit 'gesetzt', das Erste bedingt das Zweite, nicht umgekehrt. Die Negation von Etwas ist Nicht-Etwas, aber nicht Nichts. Dialektik ist (jemandes) Tätigkeit und nicht 'Prozess ohne Subjekt' (Althussser dixit).
JE






Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.




Dienstag, 12. April 2016

Bewusstsein ist Tätigkeit.


§1 (Diktiert, 1798)

Alles Bewusstsein ist begleitet von einem unmittelbaren Selbstbewusstsein, genannt intellektuelle Anschauung, und nur in Voraussetzung dessen denkt man. Das Bewusstsein aber ist Tätigkeit, und das Selbstbewusstsein insbesondere in sich zurückgehende Tätigkeit der Intelligenz, oder reine Reflexion.

Anmerkung. 

Alles zufolge angestellter Selbstbeobachtung. Diese reine Reflexion als Begriff angesehen wird gedacht durch ich. Ich setze mich sonach schlechthin durch mich selbst, und durch dieses Selbstsetzen ist alles andere Bewusstsein bedingt.

In diesem Collegio wird experimentiert, das heißt, die Vernunft wird gezwungen, auf gewisse planmäßige Fragen zu / antworten, die Resultate unserer Experimente fassen wir dann in Begriffe zum Behuf der Wissenschaft und des Gedächtnisses.
_____________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 34f.


Nota. – Im Begriff wird das, was als tätig angeschaut wurde, als ruhend gedacht – um im Gedächtnis aufbewahrt zu werden. JE



Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.

- Es sieht aus, als wollte ich mit diesem Foto den Erdmännchen Bewusstsein zusprechen, nicht wahr? Ich wollte nur zeigen, dass bewusstes Sein kein passives,sondern ein aktiven Verhalten ist: Die Aufmerksamkeit des Ermännchens ist offensichtlich erregt - und gerichtet. Das Bewusstsein in einem engeren,menschlichen Sinn zeichnet sich freilich dadurch aus, dass wir unsere Aufmerksamkeit selber richten können (und, ween wir es wollen, auch auf uns zurück), währende das Erdmännchen seine Aufmerksamkeit auf die Gegenstände richten muss, die ihm genetisch als seine Umwelt angestammt sind.
JE