Dienstag, 25. Dezember 2018

Das Ich ist kein Vermögen; das Ich handelt.

B. Cellini

Durch diese Wechselwirkung zwischen Anschauen und Wollen des Ich wird erst das Ich selbst und alles, was für das Ich (für die Vernunft) ist, d. h. alles, was überhaupt ist, möglich. 

Zuvörderst das Ich selbst. - Es soll, dürfte man sagen, eine Wechselwirkung zwischen dem Anschauen und Wollen des Ich der Möglichkeit des Ich selbst vorhergehen; im Ich soll etwas sein, das in Wechselwirkung steht, ehe das Ich selbst ist; und dies sei widersprechend. Aber gerade hier liegt die Täuschung, welche abgehalten werden soll. 

Das Anschauen und Wollen geht dem Ich weder vorher noch nachher, sondern es ist selbst das Ich; es ge- schieht beides nur, inwiefern das Ich sich selbst setzt, es geschieht nur in diesem Setzen und durch dieses Setzen, dass es geschehe; und es ist nichtig, an ein Geschehen außer dem Setzen und unabhängig von ihm zu denken. Umgekehrt, das Ich setzt sich, indem beides geschieht und inwiefern es setzt, dass beides geschieht, und es ist ebenso nichtig, an ein anderes Setzen des Ich zu denken. Es ist zum mindesten unphilosophisch, zu glauben, dass das Ich noch etwas anderes sei, als zugleich seine Tat und sein Produkt.

Sobald wir von dem Ich als einem tätigen hören, ermangeln wir nicht, sogleich ein Substrat uns einzubilden, in welchem die Tätigkeit als bloßes Vermögen inwohnen soll. Dies ist nicht das Ich, sondern es ist ein Produkt unserer eigenen Einbildungskraft, das wir auf Veranlassung der Anforderung, das Ich zu denken, entwerfen. Das Ich ist nicht etwas, das Vermögen hat, es ist überhaupt kein Vermögen, sondern es ist handelnd; es ist, was es handelt, und wenn es nicht handelt, so ist es nichts. 
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, 
SW Bd. III, S. 22   



Nota. - Das-Ich-ist-kei-ne-Sub-stanz. Ich ist dasjenige, was wirklich handelt: Das ist der Ausgangspunkt. Ge- nauer gesagt: In der Transzendentalphilosophie, der es um die kritische Sichtung der Vernunft geht, ist das Ich dasjenige an den wirklichen Subjekten, was vernünftig handelt. Sie hat dieses im analytischen Rückgang aus jener destilliert, um dann jene aus diesem zu rekonstruieren. Dass es ein Ich gibt, welches vernünftig handelt, war der sachliche Ausgangspunkt. 

Dass nicht alles im Leben vernünftig zugeht, ist, wenn auch unausdrücklich, derselbe Ausgangspunkt; denn wel- chen Anlass hätte die Vernunft sonst, über sich selber Gericht zu halten! Es gilt also zu verstehen, dass Vernunft zwar einerseits in den Menschen steckt, doch andererseits nicht den ganzen Menschen ausmacht. Ausgezeichneter Gegenstand der Philosophie ist sie, weil sie dasjenige im oder am Menschen ist, was durch Freiheit möglich ist und ihm nicht durch sein Herkommen zudiktiert wurde; weil sie nur durch Freiheit möglich ist; weil nur durch sie Freiheit möglich ist; weil durch sie nur Freiheit möglich ist. 

Daraus folgt, dass den wirklichen Subjekten Vernunft zuzumuten ist, weil ihnen Freiheit zuzumuten ist. Der Mensch kann, was er soll. Wenn er sagt, er kann nicht, dann will er nicht.
JE

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