Montag, 3. Dezember 2018

Wie aus dem reinen Wollen ein wirkliches Wollen wird.


 
§ 13

Reelle Wirksamkeit ist nur möglich nach einem Zweckbegriffe und ein Zweckbegriff nur unter der Bedingung einer Erkenntnis, und diese unter der Bedingung einer reellen Wirksamkeit möglich; und das Bewusstsein würde durch einen Zirkel, und sonach gar nicht erklärt.

Es muss daher etwas geben, das Objekt der Erkenntnis und Wirksamkeit zugleich sei. Alle diese Merkmale sind nur in einem allem empirischen Wollen und aller empirischen Erkenntnis vorauszusetzenden reinen Willen vereinigt.

Dieser reine Wille ist etwas bloß Intelligibles, wird aber, inwiefern es [sic] sich durch ein Gefühl des Sollens äußert und zufolge dessen gedacht wird, aufgenommen in die Form des Denkens überhaupt als ein Bestimmtes im Gegensatze eines Bestimmbaren, dadurch werde ich das Subjekt dieses Willens, ein Individuum, und als Bestimmbares wird mir ein Reich vernünftiger Wesen. Aus diesem reinen Begriffe lässt sich ableiten und muss abgeleitet werden das gesamte Bewusstsein.

§ 14

Ein Gefühl ist mir nur möglich, inwiefern im System der Sensibilität eine Veränderung vorgeht; und aus dieser entsteht eine objektive Erkenntnis. Diese ist aber nicht möglich außer zufolge eines Handelns, inwiefern ich mich als Ursache denke. Ich denke mich aber als Ursache, wenn ich das Mannigfaltige des Erfolgs beziehe auf das reine Wollen. Dies Wollen ist ein ursprünglich Bestimmtes oder Bestimmendes. Ein reines Wollen, inwie- fern es sich als Sollen äußert.

Nun muss das Wollen, durch welches die Veränderung der Gefühle als etwas Empirisches hervorgebracht werden soll, selbst ein empirisches sein, denn die Bestimmtheit der Gefühle wird erklärt aus der Bestimmtheit des Willens; aber wenn der Wille nicht auf solche Gefühle bezogen wird, so ist kein Wille, mithin erklärt der reine Wille nichts.

Unsere Aufgabe ist jetzt: Wie wird das reine Wollen zum empirischen? /

Es ist uns hier um die Ableitung der Weltbegriffe zu tun. Diese sollen vom reinen Willen abgeleitet werden; dieser ist dazu aber nicht brauchbar, weil er eben rein ist.

Das Denken als solches, als sich Etwas denken, ist das Mittelglied zwischen dem Intelligiblen und der Sinnen- welt; durch das Denken sonach müsste der reine Wille versinnlicht werden, und zwar nicht nur so, dass etwas Objektives in demselben zugleich mitgedacht würde, sondern auch, dass er lediglich durch das Denken zu einem empirischen Willen würde.

Was gedacht wird, kommt unter die Gesetze des Denkens. Nun sind wir uns nicht der Gesetze des Denkens bewusst. Dieses Bewusstsein gibt uns erst die Philosophie.

Der reine Wille ist als Idee gedacht worden. Wird er nun gedacht oder nicht? Wird er überhaupt nicht gedacht, so können wir nicht davon sprechen. Wird er aber gedacht, so fällt er unter die Gesetze des Denkens und wird sinnlich. 
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 152f. 



Nota I. - Das reine Wollen findet noch in der Welt des bloßen Vorstellens statt und schaut Bilder an; es bleibt in meiner Welt, wenn ich so sagen darf. Zu einem wirklichen Wollen wird es erst, indem ein Zweckbegriff hinzu- tritt, und der kann nur in der realen Welt, nur in unserer Welt liegen: in der Welt, wo ich unvermeidlich mit 'an- deren vernünftigen Wesen' zu tun habe, zu denen ich mich nur durch Begriffe verständ igen kann. Wo die rein betrachtende Zustimmung zu einem Bild - ja, das will ich - der praktische Entschluss tritt, das dem Zweckbe- griff Gemäße selbst zu tun. So wird aus dem virtuellen Handeln des Vorstellens ein reales Handeln und wird das angeschaute Ich ein wirkliches.
 
18. 5. 15

Nota II. - Und natürlich wird auch hier nicht behauptet, dass es eine reines Wollen 'wirklich gibt'. Wirklich will ein Mensch dieses oder jenes, aber nicht 'überhaupt', und das ist, wovon die Transzendentalphilosophie ausgehen muss. Allerdings geht sie davon aus, um es zu erklären. Sie muss also auf die Bedingungen zurückgehen, durch die allein wirkliches Wollen als möglich vorgestellt werden kann. Sie zieht vom wirklichen Wollen die Bestimmtheit als 'dieses' oder 'jenes' ab - und behält auf der einen Seite das reine Wollen, auf der andern den Zweckbegriff übrig. Diese beiden gehören zusammen und eins erklärt das andere - aus dem wirklichen Wollen.

Durch das schrittweise Abziehen aller faktisch hinzugetretenen Bestimmungen - hier: dieses oder jenes - wird am Ende die allem zu Grunde liegende Bedingung freigelegt, die ihrerseits noch nicht bestimmt ist: die ursprüngliche prädikative Qualität; von der paradoxer Weise aber schon angenommen werden muss, dass sie 1. Qualität ist, und diese 2. prädikativ ist. Denn damit ein Bestimmen je angefangen werden kann - und dass es angefangen hat und fortgeschritten ist, war die sachliche Voraussetzung der kritischen Untersuchung -, muss es sich selbst bestimmt haben; sonst war ja keiner mehr da.
JE
 


 Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.

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