Carl Spitzweg, Drachensteigen
Die
Einbildungskraft setzt überhaupt keine feste
Grenze; denn sie hat selbst keinen festen Standpunkt; nur die Vernunft setzt etwas Festes, dadurch, daß sie erst
selbst die Einbildungskraft fixiert. Die
Einbildungskraft ist ein Vermögen, das zwischen Bestimmung und
Nicht-Bestimmung, zwischen Endlichem und Unendlichem in der Mitte schwebt. ... Jenes Schweben eben bezeichnet die
Einbildungskraft durch ihr Produkt: sie bringt
dasselbe gleichsam während ihres Schwebens, und durch
dieses Schweben hervor. ...
Im praktischen Felde geht die Einbildungskraft fort
ins Unendliche, bis zu der schlechthin unbestimmbaren Idee der höchsten
Einheit, die nur nach der vollendeten Unendlichkeit möglich wäre, welche selbst
unmöglich ist. ...
Ohne Unendlichkeit des Ich - ohne eine absolutes, in
das Unbegrenzte und Unbegrenzbare hinausgehende Pro- duktions-Vermögen desselben
ist auch nicht einmal die Möglichkeit der Vorstellung zu erklären. Aus dem
Postu- late, daß eine Vorstellung sein solle, welches enthalten ist in dem Satze:
das Ich setzt sich, als bestimmt durch das Nicht-Ich, ist nunmehr dieses
absolute Produktionsvermögen synthetisch abgeleitet und erwiesen.
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Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, SW
I, S. 217f.
Nota. - Dem Ich wird zugerechnet ein absolutes in das Unbegrenzte und Unbegrenzbare hinausgehende Pro- duktionsvermögen, später als absolutes Wollen bezeichnet, welches es selber zu einem unendlich Bestimmbaren be- stimmt. Sein Bestimmen, welches sein Gegenstand auch sei, ist in jedem Fall ein sich-selbst-Einschränken, ein vorübergehendes
zwar, aber doch das, woraus ihm alle Realität entsteht. Das Einbilden
geht fort ins Unendliche heißt: Es geht auf ein Absolutes, das sich
Schritt für Schritt als unbestimmbar erweist, was schließlich die einzig
mögliche Bestimmung an ihm ist und eben seine Absolutheit ausmacht. Das
Eine ist so absolut wie Jenes, weil es ebenso unendlich bestimmbar ist.
Eigentlich wären sie dasselbe, wäre nicht auch das
mich-als-jenes-Setzen un- endlich; und nur, weil es immer erneut scheitert, gibt es die Welt.
Sie
verstehen mich recht: In Wahrheit ist die Welt ohne mich da. Aber ohne
mich gäbe es keine Vorstellung von ihr. Doch vorstellen muss ich sie,
weil ich einmal in ihr bin, und anders wird es mir nicht möglich.
JE, 10. 8. 18
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