Montag, 17. August 2015

Vernunftzweck und Sittengesetz.



...daher kann die besondre Wissenschaftslehre des Praktischen nur sein eine Ethik. Diese lehrt, wie die Welt durch vernünftige Wesen gemacht werden soll, ihr / Resultat ist Ideal, inwiefern dies Resultat sein kann, da es nicht begriffen werden kann. ...

Es wird in der Ethik nicht betrachtet das eine oder andere Individuum, sondern die Vernunft überhaupt. Nun ist die Vernunft dargestellt in mehreren Individuen, die sich in einer Welt durchkreuzen. Soll der Zweck der Vernunft an ihnen erreicht werden, so muss ihre physische Kraft gebrochen und die Freiheit Jedes eingeschränkt werden, damit nicht einer des andern Zwecke störe und hintertreibe. 

Daraus entsteht die Rechtslehre oder Naturrecht. Die Natur dieser Wissenschaft ist sehr lange verkannt worden. Sie hält die Mitte zwischen theoretischer und praktischer Philosophie, sie ist praktische und theoretische Philosophie zugleich. Juridische Welt muss vor der moralischen vorhergehen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 241f.

aus Sittengesetz

Nota. - Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Vernunft und Sittengesetz berührt den Kern der Wissen- schaftslehre. Ist Vernunft an sich und ist sie ein dem wirkliche Handeln wirklicher Menschen vorgegebenes Programm, das sie einzusehen und zu befolgen haben, dann betrifft sie all ihr Handeln, egal auf welchem Feld.

Ist aber Vernunft nichts als Vernünftigkeit, nämlich freies Handeln in einer 'Reihe vernünftiger Wesen', deren jeweilige Freiheit ich als meine Grenze annehme, dann betrifft sie nur solches Handeln, das die Freiheit anderer vernünftiger Wesen berührt, nicht wahr? Doch besteht die Vernünftigkeit nicht zuerst, sondern nur sekundär darin, meine eigene Freiheit an der der anderen einzuschränken; zuerst besteht sie noch immer darin, Zwecke zu setzen. In deren Verfolgung erst ergibt sich - oder nicht - ein Konflikt mit den Freiheiten der Andern.

Die Sittlichkeit betrifft nun aber nicht die Zwecke, die ich in der Welt verfolge, wo ich mit einer 'Reihe ver- nünftiger Wesen' zu tun bekäme: Denn das wäre das Reich des Rechts. Sittlich ist ein Problem immer dann, wenn ich mich frage, was ich vor mir selbst verantworten kann: ob ich im Begriff bin, meine Freiheit "nach dem Begriffe der Selbstständigkeit schlechthin ohne Ausnahme" zu bestimmen, oder mich hinreißen und verleiten lasse. Und dafür kann es keine Regeln geben. Das muss ich im gegebenen Fall stets selber entschei- den. 

Ein 'System der Sittlichkeit' aufstellen zu wollen, ist dann aber widersinnig. Dass Fichte es versucht hat, ent- spricht ganz seinem Schwanken in der Auffassung der Vernunft.
JE










Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE 

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