Freitag, 19. Februar 2016

Anerkennung geschieht allein durch Handeln.



II. Aber ich muss allen vernünftigen Wesen außer mir in allen mögliche Fällen anmuten, mich für ein vernünftiges Wesen anzuerkennen. 

/ Die Notwendigkeit dieser allgemeinen und durchgängigen Anmutung muss dargetan werden als Bedingung der Möglichkeit des Selbstbewusstseins. Aber es ist kein Selbstbewusstsein ohne Bewusstsein der Individualität, wie erwiesen worden. Es wäre jetzt nur noch zu erweisen, dass kein Bewusstsein der Individualität möglich sei ohne jene Anmutung, dass die letztere notwendig aus der ersteren folge. So wäre erwiesen, was erwiesen werden soll. 

A.

1) Ich setze mich im Gegensatz von C lediglich dadurch, dass ich mir ausschließend eine Sphäre für meine freie Wahl zuschreibe, die ich ihm abspreche, nach dem Begriffe der Individualität überhaupt. 

2) Ich setze mich als vernünftiges und freies Wesen im Gegensatz zu C lediglich dadurch, dass ich auch ihm Vernunft und Freiheit zuschreibe; mithin annehme, dass er in einer von der meinigen unterschiedenen Sphäre gleichfalls frei gewählt habe.

3) Ich nehme das alles aber nur dem zufolge an, dass er meiner eigenen Annahme nach in seiner Wahl, in der Sphäre seiner Freiheit, auf meine freie Wahl Rücksicht genommen; eine Sphäre für mich mit Zweck und Absicht offen gelassen [hat]; laut obiger Beweise. (Erst dem zufolge, dass ich ihn gesetzt als ein mich als vernünftiges Wesen Behandelndes, setze ich ihn überhaupt als vernünftiges Wesen. Von mir und meiner Behandlung geht mein ganzes Urteil über ihn aus, wie es in einem Systeme, das das Ich zur Grundlage hat, nicht anders sein konnte. Aus dieser bestimmten Äußerung seiner Vernunft und aus dieser allein schließe ich erst auf seine Vernünftigkeit überhaupt.)

4) Aber das Individuum C kann nicht auf die beschriebene Weise auf mich gehandelt haben, ohne wenigstens problematisch mich anerkannt zu haben; und ich kann es nicht als so handelnd setzen, ohne dies (dass es mich wenigstens problematisch anerkenne) zu setzen.

5) Alles Problematische wird kategorisch, wenn die Bedingung hinzukommt. Es ist teils überhaupt kategorisch, als / Satz; eine Bemerkung, die wichtig und dennoch oft übergangen ist; die Verbindung zwischen zwei Sätzen wird kategorisch behauptet; wird die Bedingung gegeben, so ist notwendig das Bedingte anzunehmen. Die Bedingung wat, das ich den Anderen als vernünftiges Wesen (für ihn und mich gültig) anerkennte, d. i.  dass ich ihn als ein solches behandelte - denn nur Handeln ist ein solches allgemeingültiges Anerkennen. Dies nun muss ich notwendig, so gewiss ich mich als vernünftiges Wesen ihm entgegensetze, - es versteht sich, in wiefern ich vernünftig, d. i. in meinen Erkenntnissen konsequent verfahre.

So gewiss ich ihn nun anerkenne, d. i. behandle, so gewiss ist er durch eine erst problematische Äußerung verbunden, durch theoretische Konsequenz genötigt, mich kategorisch anzuerkennen, und zwar gemeingültig, d. h. mich zu behandeln wie ein freies Wesen.

Es geschieht hier eine Vereinigung Entgegengesetzter in eins. Untere den gegenwärtigen Voraussetzungen liegt der Vereinigungspunkt beider in mir, in meinem Bewusstsein; und die Vereinigung ist bedingst dadurch, dass ich des Bewusstseins fähig bin. - Er, an seinem Teil, erfüllt die Besingung, unter der ich ihn anerkenne, und schreibt sie mir von seiner Seite vor. Ich tue von der meinigen die Bedingung hinzu - anerkenne ihn wirklich, und verbinde dadurch ihn zufolge der von ihm selbst aufgestellten Bedingung, mich kategorisch anzuerkennen; verbinde mich, zufolge der Anerkennung seiner, ihn gleichfalls so zu behandeln.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 45ff.


Nota. - Allgemeine Anerkennung geschieht durch allgemeines gegenseitiges Handeln = Verkehr. Dessen Ort ist Öffentlichkeit; deren Urform: der Markt.
JE





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