Donnerstag, 4. Februar 2016
Was heißt Aufforderung zur Freiheit?
Ich fand in dieser Hinsicht mich unter anderm mich selbst als bestimmbar durch Freiheit. Diese Bestimmbar-keit meiner selbst oder Aufforderung zum freien Wollen ist genommen für ganz einerlei. Meine Individualität geht heraus aus dem Maße der ganzen Vernunft; daraus geht wieder hervor eine Tätigkeit in einem Momente, diese Individualität erscheint als Aufforderung zum freien Handeln, die Individualität wird mir gegeben durch diese Aufforderung.
Individualität = [ist gleich] der Aufforderung zum freien Handeln.
Ist dies wahr? Was heißt Aufforderung zur Freiheit? Es ist ein Begriff, der, wenn er Kausalität hätte, eine Handlung des freien Wollens hervorbrächte. Es wird in Verhältnis gesetzt Begriff und Handlung des freien Wesens, in das Verhältnis der Dependenz, so dass erstere die Handlung veranlassen soll. Dies ist aber möglich, darum haben wir es nur hypothetisch gestellt. Sieht man darauf, dass es ein anderes Individuum sei, so ist dies / ein Begriff jenes Individuums gehend auf das aufgeforderte [Individuum]; es ist dies ein Begriff, in welchem dies letztere mit liegt. Dieser Begriff soll nicht Kausalität haben, denn sonst wäre er mechanische Bestimmung; aber hypothetisch wir es gedacht.
(Dergleichen Begriffe, in denen eine Kategorie angewendet wird und auch nicht, werden wir mehrere bekom-men. Die Kategorie wird bloß angewendet, um die Sache denken zu können. So hier: Die Regel, mit einem Gesetzten etwas Entgegengesetztes zu denken, ist kausal, aber das hier Entgegengesetzt ist frei, und insofern findet der Begriff der Kausalität hier nicht statt, aber könnte es stattfinden, so würde es so oder so sein; die Regel eines solchen Denkens wird bloß angegeben.)
Diese Aufforderung würde der Realgrund einer freien Entschließung sein, sie würde zwischen dem Bestimm-baren und dem Bestimmten das zwischeninnenliegende [sic] Bestimmende sein. Aufforderung und Bestimm-barkeit sollen zugleich sein, letztere heißt Möglichkeit eines Bestimmens, nicht der Grund , dass sie erfolge oder nicht. Sie ist bloß die allgemeine Sphäre, aus der die Bestimmtheit hervorgehen kann – in der Aufforde-rung soll nicht der entscheidende Grund, sondern bloß der Erklärungsgrund sein. –
In der Aufforderung wird etwas gesetzt, was in der bloßen Bestimmbarkeit nicht gesetzt wird. Sonach bestätigt es sich nicht, dass die Aufforderung und die Bestimmbarkeit eins sei. Aber wir setzen hinzu, diese Bestimmbar-keit solle auch nur als Bestimmbarkeit gesetzt werden und als nichts anderes: bloß unter der Bedingung sei der Satz wahr, und nur unter dieser Bedingung sei es möglich, dass im Bewusstsein gar nichts weiter vorkomme als dieses; dass dadurch das ganze Bewusstsein gefüllt sei. Dass nur unter dieser Bedingung die Bestimmbarkeit mit der Aufforderung eins sei, ergibt sich.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 179f.
Nota. – Das ist nun eine der vertrackteren Stellen bei F. Das liegt in der Sache selbst; Aufforderung zur Freiheit erscheint wie ein Paradox: 'Du sollst frei handeln' – wenn ich dem folgte, handelte ich unfrei.
Es ist nun eben so, dass Freiheit nicht in den Begriff passt. Sie ist nicht bestimmbar, denn sie ist das Postulat unendlicher Bestimmbarkeit. So weit sie vorstellbar ist, ist sie eine Idee, die schlechthin praktische Idee, und das heißt: nur als Aufgabe zu denken.
In den Begriff passt das nur, indem er ächzt.
JE
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