Mittwoch, 17. Februar 2016

Spontaneität und Aufforderung von außen.


Chillida

Das Beschriebene ist nur ein Wollen, und eben in der Synthesis durch die Beziehung des Seins aufs Denken wird es Wollen. Das will dem Menschen auch nicht ein. Wenn man ihn fragen würde: Willst du oder kannst du wollen? Jeder wird sich alles entreißen lassen, nur seine Persönlichkeit nicht. Aber das Wollen ist doch nur Er-scheinung. Es ist genau das, was oben geschildert worden ist, die Identität von Sein und Denken, diese ganze Wechselwirkung – dies und nichts anderes ist das Wollen. Der Anfang und der eigentliche Mittelpunkt, an den das Übrige angeknüpft wird, ist Wollen. –

Aber haben wir uns nicht verirrt? Der Begriff der Aufforderung ist analysiert worden. Wir sind aber aufs Zweite gekommen, wir haben geredet von etwas Anderem. Aber wir haben gefunden: Der Begriff der Auffor-derung ist nicht das Erste, sondern das Wollen. Das Bewusstsein hebt von keinem Momente an, es ist Wollen. An diesen Moment des Willens wird durch die bloße Erscheinung das Übrige angeknüpft. 


Das Deliberieren herausgreifen kommt vor, aber es ist etwas zur wirkliche Bestimmung meiner selbst Hinzu-gesetztes, wobei das letztere dem Wollen vorangegangen sein soll. (Man könnte den Transzendentalen Idealis-mus einteilen in einen Idealismus des äußern und innern Sinnes oder des Raums un der Zeit.) Kurz, in dem Fortgange des Bewusstseins scheint uns das, das den Willen bedingt, in uns selbst zu liegen; bei dem Anfange der Individualität scheint dieses außer uns in einer fremden Vernunft zu liegen. 
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 187


Nota. – Diesen Abschnitt hat Krause mit Anmerkung überschrieben, und er klingt so, als habe ihn F., abwei-chend von seinem Vorlesungsmanuskript, auf dem Katheder extemporiert, denn die Formulierungen sind fahrig. Der Sache nach geht es um das Thema Aufforderung – Reihe vernünftiger Wesen – Anerkennung. In gewisser Weise ist es der problematischste Punkt der Wissenschaftslehre, nämlich der Widerspruch, dass 'die Vernunft' einerseits allezeit selbstgemacht ist – und von wem, wenn nicht von lebenden Menschen? –, andererseits das Indi-viduum zu einem solchen 
erst wird, indem es zu einem freien Handel aufgefordert ist – und von wem, wenn nicht von einem, der schon vernünftig ist?

Um dieses Problem schwankt Fichtes Auffassung von der Vernunft bis zum Atheismusstreit – an dessen Aus-gang er sich der dogmatischen Versuchung ergibt. (Für seine rationelle Auflösung war 'die Zeit noch nicht reif'.)
JE

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