Mittwoch, 11. Juli 2018

Produktive Arbeit.

Courbet, Holzfäller

Wessen sind wir uns denn eigentlich bewusst, wenn wir uns unseres Wirkens in der Sinnenwelt bewusst zu sein glauben? Was kann in diesem unmittelbaren Bewusstsein liegen, und was kann nicht in ihm liegen? - Wir sind uns unmittelbar bewusst unseres Begriffes vom Zwecke, des eigentlichen Wollens; einer absoluten Selbstbe- stimmung, wodurch gleichsam das ganze Gemüt auf einen einzigen Punkt zusammengefasst wird. Wir werden uns ferner unmittelbar bewusst der Realität und wirklichen Empfindung des vorher nur im Zweckbegriffe ge- dachten Objektes, als eines in der Sinnenwelt wirklich gegebenen.

Es dürfte jemand vorläufig einwenden: auch der Arbeit des Hervorbringens, die zwischen dem Entschluss des Willens und seiner Realisation in der Sinnenwelt in die Mitte fällt, sind wir uns bewusst. Ich antworte: dies ist kein besonderes Bewusstsein, sondern lediglich das schon angezeigte allmähliche Bewusstsein unserer Befrie- digung. Von der Fassung des Entschlusses geht diese an und sukzessiv fort, indem das Wollen sukzessiv fort- gesetzt wird, bis zur vollständigen Ausführung unseres Zweckbegriffs. Also - dieses Bewusstsein ist nur die syn- thetische Vereinigung der aufgezeigten beiden Arten des Bewusstseins, des Wollens und des Gewollten, als eines wirklichen. 

Keinesweges bewusst sind wir uns des Zusammenhanges zwischen unserem Wollen und der Empfindung der Realität des Gewollten. ... /...

Was ich wollte, ist, wenn es wirklich wird, Objekt einer Empfindung. Es muss sonach ein bestimmtes Gefühl vor- handen sein, zufolge dessen es gesetzt wird, da alle Realität für mich nur unter dieser Bedingung stattfindet. Mein Wollen wäre sonach in diesem Falle von einem auf das Gewollte sich beziehenden Gefühle begleitet; durch welche Ansicht wir soviel gewinnen, dass die Sphäre unserer Untersuchung legiglich in das Ich fällt; wir nur von dem zu reden haben, was in uns vorgeht, keinesweges von dem, was außer uns vorgehen soll.

Gefühl ist immer Ausdruck unserer Begrenztheit; so auch hier. Nun ist in unserem Falle insbesondere ein Über- gang von einem Gefühl, bezogen auf das Objekt, wie es / ohne unser Zutun sein sollte, zu einem anderen Ge- fühle, bezogen auf dasselbe Objekt, wie es durch unsere Wirksamkeit modifiziert sein soll. Es ist sonach, da das letztere Produkt unserer Freiheit sein soll, ein Übergang aus einem begrenzten zu einem minder begrenzten Zustande.
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System der Sitttenlehre, SW IV, S. 70ff. 


Nota II. - Nur der Zweck kommt hier als Bestimmungsgrund der Arbeit in Betracht, nicht die verausgabte Kraft oder gar die erlittene Mühsal. Die Kraft, die die Beschaffenheit des Gegenstandes durchaus nicht dem beab- sichtigten Zweck angenähert hat, ist vergeudet. Als Arbeit gilt sie jedenfalls nicht. Kriterium, ob der Zweck er- reicht ist oder nicht, ist immer nur das Gefühl, die sinnliche Wahrnehmung, denn es betrifft die materielle Be- schaffenheit. Das Gefühl bezieht sich auf die Warhnehmung vorher und nachher, und dieses ist anders als jenes. Am 'Gefühl' vom erfüllten Zweck ist nichts Spirituelles.

11. 7. 18 

Nota I. - Es ist hier von der wirklichen, prosaischen, produktiven Arbeit die Rede. Wenn er aber einerseits alles Wirken nach Zweckbegriff, alle Zwecke dann mit der Pflicht, und die ("annäherungsweise") Erfüllung der Pflicht schließlich mit der produktiven Arbeit in Zusammenhang bringt, kann nicht ausbleiben, dass er hinter- her Sittlichkeit, die ich mir selbst gebiete, und gesellschaftliche Verantwortung, die mir das Vertragsverhältnis gebietet, mit einander vermengt findet. Er hat den 'Vernunftzweck' einer nicht nur rechtlichen, sondern gerech- ten Gesellschaftsverfassung als ein Ideal über mein Gewissen  gestülpt und beides zu einem Sittengesetz ver- mengt, das er dann auch noch göttlich aufgeladen hat.

Mögen sie ihm nachgesagt haben, er sei Atheist gewesen - aber Lutheraner war er auf jeden Fall...
 

29. 9. 14

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