Rembrandt, Die Anatomie des Dr. Tulp
Was soll denn nun eine Philosophie, und wozu bedarf es der
spitzfindigen Zurüstung derselben, wenn sie ge- steht, dass sie für das
Leben nichts andres sagen, zu demselben [sich] nicht einmal als
Instrument bilden kann; daß sie nur Wissenschaftslehre, keineswegs
Weisheitsschule ist?
Ich
erinnere auch hier an die oft gegebene Antwort. Ihr Hauptnutzen ist
negativ und kritisch. Es mangelt in dem, was nun gewöhnlich für
Lebensweisheit gehalten wird, nicht daran, daß sie zu wenig, sondern
daran, daß sie zu viel enthält.
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Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 122]
Nota. - Auch in dieser Hinsicht markiert das Jahr 1800 einen Bruch: Es erscheint die Bestimmung des Menschen, die in ihrem Schlussteil die wissenschaftliche Philosophie - wenn schon nicht, wie Jacobi, ganz verwirft, so doch immerhin - einschränkt und hinter den Glauben zurückstellt, 'weil ohne den das Leben nicht geführt werden kann'; und ein Hauptwerk aus seinen späten Berliner Jahren heißt geradezu Anweisung zum seligen Leben. Wenn an einer Stelle Fichtes Abwendung von der Transzendentalphilosophie mit den Händen greifbar wird, dann hier.
PS. In der Sittenlehre hatte F. längst selber behauptet, die Wissenschaftslehre gehe "von einem Glauben aus" und bekenne es stolz: "so geschieht dies nicht zufolge einer theoretischen Einsicht, sondern zufolge eines prakti- schen Interesse: Ich will selbstständig sein, darum halte ich mich dafür. Ein solches Fürwahrhalten ist aber ein Glaube." Indes, was er hier Glauben nennt, nennt er andernorts Postulat. Der Glaube, den er später dem Jacobi konzedieren wird, ist einer, der beruhigt. Der 'Glaube', von dem die Wisneschaftslehre ausgeht, ist einer, der beunruhigt.
JE
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