Sonntag, 1. Juli 2018

Philosophie ist keine Lebenslehre.

Rembrandt, Die Anatomie des Dr. Tulp

Was soll denn nun eine Philosophie, und wozu bedarf es der spitzfindigen Zurüstung derselben, wenn sie ge- steht, dass sie für das Leben nichts andres sagen, zu demselben [sich] nicht einmal als Instrument bilden kann; daß sie nur Wissenschaftslehre, keineswegs Weisheitsschule ist?

Ich erinnere auch hier an die oft gegebene Antwort. Ihr Hauptnutzen ist negativ und kritisch. Es mangelt in dem, was nun gewöhnlich für Lebensweisheit gehalten wird, nicht daran, daß sie zu wenig, sondern daran, daß sie zu viel enthält.
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Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 122]


Nota. - Auch in dieser Hinsicht markiert das Jahr 1800 einen Bruch: Es erscheint die Bestimmung des Menschen, die in ihrem Schlussteil die wissenschaftliche Philosophie - wenn schon nicht, wie Jacobi, ganz verwirft, so doch immerhin - einschränkt und hinter den Glauben zurückstellt, 'weil ohne den das Leben nicht geführt werden kann'; und ein Hauptwerk aus seinen späten Berliner Jahren heißt geradezu Anweisung zum seligen Leben. Wenn an einer Stelle Fichtes Abwendung von der Transzendentalphilosophie mit den Händen greifbar wird, dann hier.

PS. In der Sittenlehre hatte F. längst selber behauptet, die Wissenschaftslehre gehe "von einem Glauben aus" und bekenne es stolz: "
so geschieht dies nicht zufolge einer theoretischen Einsicht, sondern zufolge eines prakti- schen Interesse: Ich will selbstständig sein, darum halte ich mich dafür. Ein solches Fürwahrhalten ist aber ein Glaube." Indes, was er hier Glauben nennt, nennt er andernorts Postulat. Der Glaube, den er später dem Jacobi konzedieren wird, ist einer, der beruhigt. Der 'Glaube', von dem die Wisneschaftslehre ausgeht, ist einer, der beunruhigt.
JE 

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