Freitag, 27. Mai 2016

Jeder vernünftige Mensch glaubt an die Wirklichkeit der Welt.


Jacques Linard, Fünf Sinne und vier Elemente

Damit begnügen wir uns aber nicht, sondern machen schnell einen Unterschied zwischen Vorstellungen und dem Objekt, und sagen, außer der Vorstellung liege noch etwas Wirkliches. Sobald wir auf den Unterschied der Vorstellung und des Objekts aufmerksam werden, sagen wir, es sei beides da. Alle vernünftigen Wesen (auch der Idealist und Egoist, wenn er nicht auf dem Katheder steht) behaupten immerfort, dasss eine wirkliche Welt da sei. 

Wer sich zum Nach-//4//denken über diese Erscheinung in der menschlichen Seele erhoben hat, muss sich verwundern, da hier eine scheinbare Inkonsequenz ist. Man werfe sich als die Frage auf: Wie kommen wir dazu anzunehmen, dass noch außer unsrer Vorstellung wirkliche Dinge da seien? Viele Menschen werfen sich diese Frage nicht auf, entweder weil sie den Unterschied nicht bemerken, oder weil sie zu gedankenlos sind. Wer aber diese Frage aufwirft, der erhebt sich zum Philosophieren; diese Frage zu beantworten ist der Zweck des Philosophierens, und die Wissenschaft, die sie beantwortet, ist die Philosophie.

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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S.3f.



Nota. - Die Wissenschaftslehre hebt nicht an bei der Frage, ob es eine Wirklichkeit gäbe außer der Vorstellung, sondern warum jeder vernünftige Mensch davon ausgeht, dass es so sei. Die erste Frage wäre metaphysisch, die zweite ist transzendental. Und nur die zweite ist daher vernünftig. Dass es so sei ist also die Voraussetzung, aus der die Transzendentalphilosophie nicht heraustreten kann, ohne die Vernunft zu verlassen. Auf der ersten semantischen Ebene ist auch sie realistisch. Idealistisch ist sie erst auf der zweiten Ebene, der Reflexion der Vernunft auf sich selbst.
JE






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