Sonntag, 8. Januar 2017
Der reine Wille ist eine Idee. Wenn sie einer denkt, wird sie sinnlich.
Was gedacht wird, kommt unter die Gesetze des Denkens. Nun sind wir uns nicht der Gesetze des Denkens bewusst; dieses Bewusstsein gibt uns erst die Philosophie.
Der reine Wille ist als Idee gedacht worden; wird er nun gedacht oder nicht? Wird er überhaupt nicht gedacht, so können wir nicht davon sprechen; wird er aber gedacht, so fällt er in die Gesetze des Denkens und wird sinnlich.
Der reine Wille wird betrachtet seiner Form nach als Übergehen, als Bestimmtheit, der eine Bestimmbarkeit entgegengesetzt wird; wodurch das Ich Individuum wird. Dies ist aber //154// nur eine formelle Versinnlichung, es könnte aber auch sein, dass er materialiter versinnlicht und empirisch würde; dies ist aber hier eine bloße Voraussetzung.
Vorläufige Untersuchung
1) Ist der Zustand des Ich vor allem [als] Gefühl, Anschauung und Denken zu schildern, als das Eigentlich, das a priori ist? Dadurch wird nichts wirklich bedeutet, es ist eine Idee (eine Hilfslinie), etwas Vorauszusetzendes, um zu erkären, was eklärt werden soll. Die Schwierigkeit dabei ist, dass wir nur nach den Gesetzen des Den- kens denken können. Wir müssen also von allem abstrahieren, wovon wir können, und ihn nur in sofern in die Form des Denkesn aufnhehemen, als wir müssen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 153f.
Nota I. - Während er sonst 'Idee' als Projektion auffasst, fasst er sie hier als Hypostase.
Nota II. - Dies schält sich immer mehr als die eigentlich Black box, als das wirkliche Problem der Wissenschafts- lehre heraus und ist uns bereits unter dem Titel 'Denkzwang' begegnet: Was hat es mit den 'Gesetzen des Denkens' auf sich? Es ist der harte Kern der Frage: Liegt die Vernunft der vernünftigen Tätigkeit zu Grunde oder ist sie deren Produkt? Die erste Antwort ist offenbar dogmatisch, die zweite kritisch und transzendental; und übrigens pragmatisch. Fichte hat zunächst zwischen beiden Möglichkeiten geschwankt - bis er schließlich, aus eigentlich außerphilosophischen Gründen, doch die erstere, dogmatische Auffassung zurückbehielt.
Fassen wir Vernunft als etwas auf, was sich im allgemeinen (öffentlichen =) kritischen Verkehr als ihr irredu- zibler Kern herausbildet, ist sie übrigens a priori sinnlich. Nur in der Reflexion kann sie als rein(er Wille) gedacht werden.
(Fichte muss schließlich zur Plausibilisierung seines dogmatischen Vernunftbegriffs zum schwindelerregenden Postulat eines Normalsvolks greifen, das 'von Anfang an' Vernunft gehabt hätte (von wem? Dreimal dürfen Sie raten!) und durch die Zufälligkeiten der Geschichte über die ganze Welt zerstreut wurde; weshalb es heute in jedem Land ein paar Vernünftige gibt, die die andern 'auffordern' können.
Die evolutionsbiologische Herleitung unserer Vorstellungsmöglichkeiten wirkt dagegen kleinlich und prosaisch; aber auch nüchtern.)
JE
Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE.
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