Sonntag, 29. Januar 2017

Vorläufige Zusammenfassung der Wissenschaftslehre II.


handelsblatt

Zu einer solchen Voraussetzung kommen wir durch die Denkgesetze. Nun fand sich die Schwierigkeit: Wie soll der reine Wille ein Mannigfaltiges für die Reflexion werden?  Es war die Antwort: Es [sic] wird dies lediglich durch seine Beziehung auf die Beschränktheit, welche gleichfalls ursprünglich ist. So ists auch im empirischen Bewusstsein. Der Wille für sich betrachtet ist nur eins. Man unterscheidet den Willen nur durch die Objekte, auf die er geht, dies ist nun hier die Beschränktheit. Die ganze Reflexion besteht in der Vereinigung des Mannigfaltigen der Beschränktheit. Ihre Freiheit besteht //168// darin, dass der Wille darauf bezogen werden kann oder nicht; dass er auf dieses oder jenes bezogen werden kann.

Aber in wiefern ich beschränkt bin, bin ich irgend etwas nicht, was ich aber nicht bin, das ist für mich nicht da. Nun aber liegt die Beschränktheit außer mir; wie werde ich mir nun ihrer bewusst? Antwort: Sie liegt nur zum Teil außer mir. Äußerlich bin ich beschränkt, aber nicht innerlich, meine äußere Beschränktheit ahme ich innerlich nach.

Aber hiermit ist die Frage noch nicht ganz beantwortet, und wir haben zunächst zu zeigen, was von unserer Schwierigkeit noch nicht gehoben sei, und in wiefern sie zu heben sei. 


Ich ahme die Beschränktheit meines äußeren Organs innerlich nach; ich sehe ein Objekt - ich kann in einen gewissen Raum nicht eindringen und beschreibe eben die Fläche, die erfüllt ist. Das innere Organ ist in dieser Theorie nie beschränkt. Schwierigkeit:  Ich soll äußere Beschränktheit nachahmen, also ein äußeres Handeln, ich kann mir aber nichts einbilden, was ich nicht kenne; den Willen kenne ich, aber nicht das äußere Organ. Sonach bleibt ein Zirkel: Man bezieht sich auf die Beschränkung des äußern Organs; woher dieses [sic] selbst? -

Es steht so: Das, was ich wahrnehme, wird innerlich vollzogen, die Gestalt im Raume wird abgerissen durch die Einbildungskraft pp. Nun begreift sich, wie durch mein Organ eine solche Gestalt hervorgebracht werden kann, aber nicht, wie sie abgerisssen werden kann als durch das äußere Organ nicht zu bestimmen; und wie dem zufolge Objektivität angenommen werden könne. Es scheint, wir nehmen nur Einbildungen an. So ist - nichts erklärt. Lösung: Wir können nicht in der Versinnlichung bleiben, wir müssen auf den transzendentalen Standpunkt zurückgehen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 167f.
 



Nota. - Das äußere Organ: das ist meine Sinnlichkeit; das innere Organ: das ist das Bild, was ich mir von jener mache. Im vorigen Eintrag war die Darstellung schließlich in der Sinnlichkeit angekommen. Wie wird das Sinnliche (nach allem Obigen müssten wir sagen: das Gefühl) zu einem Ideellen (zu einer bestimmbar-bestimmten Vorstellung)? Indem das innere Organ das äußere nachahmt: ab"bildet". 

Das scheint eine bloße Wortspielerei zu sein; dass sie nichts begreiflicher macht als zuvor, gibt er zu und verweist uns auf den "transzendentalen Standpunkt" zurück. Die Sprache des Protokollanten wird undeutlich: War der Dozent undeutlich oder hat ihn bloß der Protokollant nicht recht verstanden? Wie dem auch sei: Der Versuch eines einstweiligen Zwischenberichts der Wissenschaftslehre ist nicht geglückt, aber man ahnt: Das war es, was er uns zeigen wollte.
JE


 

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