Caravaggio, Narziss
Das Ich wird bloß gefühlt in dieser Lage, nicht aber angeschaut. Es kommt also kein Anschauen als solches im Bewusstsein vor. Das Ich verliert sich selbst im Objekte der Anschauung. Oder, wie Kant sagt: Die Anschau- ung ist blind. Sonach in der Anschauung schwebt mir etwas unmittelbar vor. Ich frage nicht, woher es komme, das Objekt ist einmal da und ist schlechthin da. Dem Anschauen wird es so; nun kommt das Anschauen nicht zum Bewusstsein, mithin ist das Objekt auf dem gemeinen Gesichspunkte unmittelbar da. So kommt das Ob- jekt unmittelbar im Bewusstsein vor. Eine Philosophie, die das leugnet, ist grundlos.
Eigentlich kommen wir zum Objekte so: Es ist in uns ein Gefühl vorhanden, wir sind begrenzt; aus der Be- grenztheit schließen wir auf ein Begrenzendes außer uns. Aber dies ganze Verfahren ist unmittelbar.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 83
Nota. - Die Wissenschaftslehre schaut dem gemeinen Bewusstsein zu und beschreibt, wie es tatsächlich verfährt; allerdings nicht in Zeit und Raum, sondern in einem idealen Modell, wo alles zugleich geschieht, wenn auch Eines als genetisch bedingt durch das Andere. Es ist daher ganz in der Ordnung, wenn uns die eine oder andere Etappe in dieser Darstellung aus unserer eigenen Erfahrung bekannt vorkommt - sobald wir nämlich Raum und Zeit wieder hinzudenken.
An dieser Stelle erinnern wir uns an das, was Schiller den "ästhetischen Zustand" nannte: Im ästhetischen Zu- stand sei der Mensch "gleich Null". Die ästhetischen Qualitäten, die wir wahrnehmen, sind unmittelbar im 'Ge- fühl' - soweit die 'reale' Tätigkeit, die sich hier 'begrenzt' vorkommt. Hinzu tritt die 'ideale' Tätigkeit, die das Ge- fühl anschaut; doch an der Stelle hält sie inne - aus Freiheit: Die ideale Tätigkeit hält sich selbst zurück, mit andern Worten: der ästhetische Zustand tritt nur ein, wenn er beabsichtigt wird.
Doch im Normalfall unserer tätglichen Geschäfte fährt die ideale Tätigkeit fort.
JE
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