Dienstag, 20. September 2016

Ich kann mich nicht begrenzt fühlen, ohne mich zugleich strebend zu fühlen.


 
7) Unsere Aufgabe ist: wie ist der Zweckbegriff möglich oder eine Anschauung, die für den Zweckbegriff wenigstens den Stoff hergebe. Die bisher erklärte Anschauung kann keine andere sein als die eines wirklichen Objekts, denn sie gründet sich auf ein Gefühl der Beschränktheit. Wie könnte nun die eines Möglichen der ersteren entgegengesetzt sein, mit was im Gefühle könnte eine solche Anschauung zusammenhängen? 

Ich kann mich nicht begrenzt fühlen, ohne mich zugleich strebend zu fühlen, denn das Streben ist ja das Be- grenzte. Also das Gefühl eines Strebens, eines Dranges müsste da sein. Sonach ist das Gefühl der Begrenztheit bedingt durch das Gefühl eines Strebens, beides zusammen macht erst ein vollständiges Gefühl aus. Hierdurch erhalten wir ursprünglich eine in der Sache gegründete Verbindung Verschiedener im Ich. Woraus leicht aus einem, dem Begrenzten, das Theoretische und aus dem andern, dem Streben, das Praktische hervorginge. Da sie gleich ursprünglich verbunden sind, so werden sie in der Folge nicht zu trennen sein, und so wird der tiefste Grund gelegt: Keine Theorie ohne Praxis.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 84



Nota. - In einer logischen Konstruktion aus Begriffen müsste das Streben nachträglich in die Darstellung ein- geschoben werden, wie beim Taschenspielertrick. Das wäre das dogmatische Verfahren. Es wird aber genetisch das Hervorgehen dieser Vorstellung aus jener vorangegangenen hergeleitet - indem gezeigt wird, dass das neu genannte Moment - das Streben - in der Vorstellung von vornherein vorhanden war und bloß nicht darauf ge- achtet wurde. Nicht die Vorstellung wird aus tausenderlei Elementen zusammengesetzt, sondern die ganze Vor- stellung wird analytisch-reflektierend in ihre mannigfaltigen Momente auseinandergelegt. Das ist das dialektische Verfahren.
JE


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