Freitag, 30. September 2016

In den Gefühlen selbst gibt es kein Fortdauerndes. Das einzig Dauernde ist das Handelnde.


Wir wollen jetzt einmal den Stoff dieser Anschauung liegen lassen und sie der Form nach bestimmen, und was mit ihr zusammenhängt. 

4. Wie wollen die einzelnen Momente dieser Anschauung X aufzeigen.

Zuförderst: Nach dem Obigen fühlt das Ich sich selbst in der Anschauung. Durch dies Gefühl wird erst eine Anschauung meine Anschauung (voriger Paragraph). Dies gilt von aller Anschauung, also auch von der An- schauung X. Ich fühle mich als anschauend, nicht: Ich schaue mich an als anschauend, denn im Anschauen verliert das Ich sich im Objekte. Das Angeschaute in X ist das Ich selbst, es ist zugleich das Fühlende in dieser Anschauung, beide sind sonach eins und dasselbe.

Woher diese Identität, wie kommt sie vor im Bewusstsein? Endlich: Wie ist denn die Anschauung X, oder als was wird das Ich angeschaut? Nach dem vorigen Paragraphen können wir weiter nichts sagen als: Das Ich wird angeschaut als anschauend Y. Das Ich fühlt sich als anschauend (voriger Paragraph). Hier verwandelt sich das Selbstgefühl in Selbstanschauung.

Was kann das Objekt der Anschauung X sein? Ich bin in Y in Beziehung auf ein Ding anschauend, diesem soll ich zusehen; wie ist dies möglich? Nicht unmittelbar (voriger Paragraph); die Anschauung X soll die entgegen- gesetzten Gefühle A und B vereinigen. Ihr Objekt müsste sonach etwas beiden Gemeinschaftliches sein. Nur, da von Veränderung des Zustandes die Rede ist, so müsste es etwas in der Veränderung Fortdauerndes sein. In den Gefühlen selber gibt es so ein Fortdauerndes nicht, denn A und B sind sich entgegengesezt. Im Gefühl A kommt kein Fühlendes überhaupt vor, ebenso in B nicht, denn jedes Gefühl ist ein Bestimmtes, aber ein Füh- lendes, das nur überhaupt fühlt, ist kein Bestimmtes.

Nach dem Obigen können wir sagen: Das einzige Dauernde ist das Handelnde, und zwar das idealiter Han- delnde, dies müsste Objekt der Anschauung Y sein, und zwar qualis talis; denn anders kennen wir es nicht. Aber wie kann es zum Objekt der Anschauung werden?
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 91 



Nota. - Was immer Sie sonst über idealistische Philosophie zu hören bekommen: Bei Fichte steht am Anfang des Bewusstseins nicht das Denken, sondern die Sinnlichkeit; und zwar die Sinnlichkeit eines Handelnden.
JE



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