Freitag, 9. September 2016

Der Punkt, wo ideale und reale Tätigkeit sich trennen (=der Ursprung der Dialektik).



Unmittelbar ist das Gefühl Gegenstand der Anschauung nicht, auch kann das Gefühl nicht willkürlich erneuert werden, wie die Vorstellung eines Objekts erneuert werden kann: Ein Gefühl ist kein Ding, kein zu Konstruierendes, das beschrieben werden kann. Es ist ein Zustand; es ist kein Substanzielles, sondern ein Akzidens einer Substanz. Aber das Gefühl scheint mit dem Objekt ganz verknüpft zu sein, es kann nicht gefühlt werden, ohne es auf ein Objekt zu beziehen. Dies muss einen Grund haben, und wir werden den Zusammenhang zwischen Gefühl und Objekt aufsuchen.

3. Auf dem Punkt, auf welchem wir gestanden haben, bin ich beschränkt, d. h. es ist keine Anschauung meiner Tätigkeit möglich. Mit dieser Beschränkung ist nun Gefühl unmittelbar verknüpft. Was ist denn nun beschränkt? Ich bin bloß beschränkt, in wiefern ich gehe auf reale Tätigkeit, also bloß die reale Tätigkeit ist beschränkt, aber nicht die ideale. Sollte also noch etwas Weiteres folgen, so müsste es durch die ideale Tätigkeit geschehen.

Hier ist der Punkt, wo ideale und reale Tätigkeit sich trennen und wo eine nur beschrieben werden kann, indem man sie auf die andere bezieht, denn beide stehen im Wechsel. - Im Gefühle kommt das ganze unzerteilte Ich vor; sehen können wir das Ich nicht, aber fühlen.

Die ideale Tätigkeit kann sich weiter ausdehnen, wurde eben gesagt, dies heißt mit Freiheit und mit Selbsttätigkeit, welches der Charakter des Ich ist. So äußert sich die Tätigkeit des Ich im Gefühl nicht, denn das Gefühl soll erst durch die Beschränkung zum Gefühl geworden sein.

//79// Die Intelligenz geht auf etwas von ihr Unabhängiges; sie soll sich äußern; wie und aus welchem Grunde? Aus keinem, sie ist absoluten Tätigkeit des Ich, sie muss sich äußern, sobald die Bedingung ihrer Möglichkeit eintritt, und dies ist der Fall, wo die reale Tätigkeit gehemmt ist.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 78f.




Nota I. - Es kann nicht gefühlt werden, ohne das Gefühl auf ein Objekt zu beziehen. - Sehen können wir das Ich nicht, aber fühlen. Andersrum: Weil das Ich fühlen, müssen wir dieses Gefühl auf ein Objekt beziehen. Nur so und nicht anders wissen wir von unserm Ich.

Nota II. - Erst hier fällt es auf: In der bisherigen Darstellung war die Unterscheidung zwischen realer und idealer Tätigkeit nur als faktisch gegeben vorausgesetzt; hier erst wird gezeigt, wie es zu der Scheidung kommt. - Zur Terminologie noch dies: Intelligenz in specie ist die ideale Tätigkeit - sofern angeschaut und reflektiert wird; die reale Tätigkeit ist praktisch: tatsächlich einbildend. 
JE


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