Samstag, 30. Juni 2018
Wie der Begriff entsteht.
Wenn das Objekt seinen Grund lediglich im Handeln des Ich hat und durch dieses allein vollständig bestimmt ist, so kann, wenn es eine Verschiedenheit zwischen den Objekten geben sollte, diese Verschiedenheit lediglich durch verschiedene Handelsweisen des Ich entstehen. Jedes Objekt ist dem Ich bestimmt so geworden, wie es ihm ist, weil das Ich bestimmt so handelte, wie es handelte; aber dass es so handelte, war notwendig; denn gera- de eine solche Handlung gehört unter die Bedingungen des Selbstbewusstseins.
Indem man auf das Objekt reflektiert und die Handlungsweise, durch welche es entsteht, davon unterscheidet, wird dieses Handeln, da aus dem oben angeführten Grund das Objket nicht als durch dasselbe, sondern als oh- ne ein Zutun des (freien) Ich vorhanden erscheint, zu einem bloßen Begreifen, Auffassen und Umfassen eines Gegebenen. Man nennt diese Handlungsweise, wenn sie in der beschriebenen Abstraktion vorkommt, einen Begriff.*
*) ...Dieses Wort soll hier nicht mehr und nicht weniger bedeuten, als das hier Beschriebene; ob nun der Leser bisher dasselbe dabei gedacht haben möge oder nicht. Ich berufe mich nicht auf einen bei ihm schon vorhan- denen Begriff, sondern ich will erst einen solchen in seinem Geist entwickeln und bestimmen.
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Grundlage des Naturrechts..., SW III, S. 3 f.
Nota. - "War notwendig": denn dass ein Selbstbewusstsein entstanden ist, war die Voraussetzung; damit es ent- stehen konnte, war diese Handlung notwendig. Sie selber ist jedoch durch Freiheit geschehen.
Es geht hier um das Bestimmen. Das Objekt ist bestimmt, und zwar so bestimmt, weil ich mein Handeln - mein Anschauen - so bestimmt habe; und nicht andersrum, wie das natürliche Bewusstsein meint.
Was schaut das Ich an? Ein Gefühl. Entstanden ist das Gefühl, als die Einbildungskraft auf ein Nichtich traf, das ihr widerstand. Es ist die (Ur-)Synthesis von Ich=Einbildungskraft und Nichtich. Das Gefühl ist als solches unbe- stimmt und daher bestimmbar. Das Anschauen ist das Bestimmen des Gefühls. Das Anschauen wird, sofern es selber angeschaut wird, zur Anschauung=Begriff. Begriff ohne Anschauung ist leer, Anschauung ohne Begriff ist blind.
JE
Nota - Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE
Freitag, 29. Juni 2018
Vorstellen heißt ins Verhältnis setzen.
Alle unsere Vorstellungen sind Vorstellungen von Verhältnissen, aber zuletzt müssen wir doch auf etwas zu Grunde Liegendes kommen. Dies ist aber nicht an dem, wir kommen auf etwas Ursprüngliches, das unendlich auffasst. Also die Intelligenz hat das Vermögen, entgegengesetzte Dinge in einem Akte zu fassen, oder sie hat Einbildungskraft, ursprüngliche Synthesis des Mannigfaltigen. Das Aufgefasste ist nur entgegengesetzt, man kann mit dem Verstand unendlich teilen, aber es wird / doch aufgefasst; in sofern ist die Einbildungskraft produktiv.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 202
Nota I. - Hier sind nun aus den ursprünglich angeschauten singulären Bildern schon Vorstellungen geworden: Sie unterscheiden sich von der Anschauung eben dadurch, dass sie Mannigfaltiges vereinigen. Wenn sie dann auf sich reflektiert, gewahrt sie allerdings nur Verhältnisse. Aus denen schafft sie Begriffe.- Das ist Verstand in specie. (Nie vergessen: Begriffe sind, auch wenn sie noch so bestimmt ausgesprochen werden, keine Sachverhalte, sondern Denkwerkzeuge. Sie auseinanderhalten schafft selber keine Erkenntnis, sondern ist lediglich eine Übung in Scharfsicht.)
30. 9. 15
Nota II. - Wir Leser sind ja schon Teil der 'Reihe vernünftiger Wesen'. Unser reelles (tatsächliches) Vorstellen ge- schieht ja (sofern es vernünftig geschieht) schon in Begriffen, und in denen sind Verhältnisse (von Mannigfaltigen) dargestellt. Es ist die Transzendentalphilosophie, die weiter sucht, was den Begriffen zu Grunde liegt, und "zuletzt", am allerersten, allerletzten Grund muss sie auf etwas Ursprüngliches stoßen, "das unendlich auffasst" - das Auf- fassen selbst.
JE
Donnerstag, 28. Juni 2018
Die reale Tätigkeit des Ich gibt es nur als ideale; und umgekehrt.
4) Die ideale und reale Tätigkeit sollen hier gegeneinander noch
schärfer bestimmt werden.
A) Keine reale Tätigkeit des Ich ohne ideale. Denn das Wesen des Ich besteht in dem sich selbst Setzen; soll die Tätigkeit des Ich real sein, so muss sie durch das Ich sein; das aber, wodurch sie gesetzt wird, ist die ideale.
Dem Naturobjekte schreiben wir Kraft zu, aber nicht Kraft für sich, weil es kein Bewusstsein hat. Nur das Ich hat Kraft für sich.
B) Umgekehrt keine ideale Tätigkeit des Ich ohne reale. Eine ideale Tätigkeit ist eine durch das Ich gesetzte, die wieder Objekt der Reflexion geworden ist und wieder durch ideale Tätigkeit vorgestellt wird. Sonst wäre das Ich wie ein Spiegel, der wohl vorstellt, aber sich selbst nicht wieder vorstellt. –
Dies wieder-Objekt-Sein der idealen Tätigkeit ist mit dem Ich postuliert. Aber dies Objektmachen geschieht durch reale Tätigkeit. Ist letztere nicht, so ist kein Selbstanschauen der idealen Tätigkeit möglich. Die ideale Tätigkeit hätte nichts ohne die reale, und sie wäre nichts, wenn ihr nicht durch reale [Tätigkeit] etwas hingestellt würde.
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Wissenschaftslehre nova methodo, S. 48
Nota. - 'Das Ich hat Kraft für sich' = 'An sich' ist das Ich Wollen.
Wie kommt das an diese Stelle? Die Prämisse ist: Das Ich ist schlechterdings tätig, weil es schlechterdings will. Wollen = bestimmen wollen. Die reale Tätigkeit stößt auf ein Nichtich, das ihr widersteht. Es entsteht ein Gefühl. Dieses Gefühl will das Ich bestimmen. Das Quantum Kraft, welches das Ich in seinem Zusammenstoß mit dem Nichtich noch nicht verzehrt hat, richtet es auf das Gefühl: In dessen Anschauung 'setzt' es es als dieses. Doch das Ich will (immer) mehr. Es will 'bestimmen', was da ist: Es will begreifen. Erneut geht das noch nicht verzehrte Quan- tum der Kraft (sie ist quantifizierbar, aber unerschöpflich) auf die vorausgegangene ideale Tätigkeit der Anschau- ung, die in dieser Wendung selber zur realen wird.
Um Himmels willen, so ist es nicht "gewesen"! So muss man es sich vorstellen, wenn das Fortschreiten der Intelli- gent zur Vernnft je einen Sinn gehabt haben soll.
JE
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Mittwoch, 27. Juni 2018
Ideale Tätigkeit heißt: sich im Objekt verlieren.
3. Der scharfe Unterschied zwischen idealer und realer Tätigkeit lässt sich leicht angeben. Die ideale Tätigkeit ist eine Tätigkeit in Ruhe, ein in die Ruhe Setzen, ein sich im Objekte Verlieren, ein im Objekte fixiertes An-schauen.
Die reale Tätigkeit ist wahre Tätigkeit, die ein Handeln ist. Die ideale Tätigkeit kann auch in Bewegung sein, kann auch sein ein Übergehen; und beim Anschauen der Freiheit ist die ideale Tätigkeit wirklich ein solches Übergehen, nämlich dieses Übergehen ist ein Anschauen nicht durch das Anschauen selbst, sondern es folgt aus dem Objekte, das angeschaut wird. Hier ists die Freiheit. Es ist im Anschauen nur ein Abdruck, ein Nach-bild. Die ideale Tätigkeit hat den Grund ihres Bestimmtseins nicht in sich selbst, wie die reale, sie ist daher ru- hend. Der Grund der idealen Tätigkeit liegt in dem Realen, das sie vor sich hat.
Beide Tätigkeiten sind bloß begreiflich durch Gegensatz.
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Wissenschaftslehre nova methodo, S. 48
Nota I. - Anschauen der Freiheit ist nichts anderes als die pp. intellektuelle Anschauung. Schaut die ideale Tätig-keit sonst auch die reale Tätigkeit wie ein ruhendes Objekt, wie ein abgeschlossenes Geschehen an, so kann sie sich das ursprüngliche Selbstsetzen des Ich nur tätig einbilden.
28. 7. 16
Nota II. - Die reale Tätigkeit bestimmt sich selbst - durch den Zweckbegriff. Die ideale Tätigkeit ist bestimmt durch das, worauf sie geht: die Kollision der zweckhaften Tätigkeit mit dem Nichich, das ihr widersteht. Diese schaut sie an als ein Geschehenes, das ruht.
Geht dagegen die ideale Tätigkeit auf die Freiheit selbst, so geht sie auf ein Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Sie bildet ab etwas, das geschieht. Sie ist selber Geschehen. Sie kommt nie zur Ruhe, sie wird nie Begriff.
JE
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Dienstag, 26. Juni 2018
Ich soll wollen.
freigeistblog
Negativ angeschaut ist sie keine sinnliche [Anschauung], die Form der sinnlichen Anschauung ist Übergehen vom Bestimmbaren zur Bestimmtheit. Dies muss in jenem Wollen, insofern es intellektuell angeschaut wird, ganz und gar wegfallen, und es bleibt nur ein bloßes Anschauen unserer Bestimmtheit, die da ist, aber nicht wird. (Die Anschauung der Form nach versteht sich von selbst, denn das Ich muss beibehalten werden.) Es wäre sonach ein bloßes Anschauen meiner selbst als eines Bestimmten.
Wie wird nun diese Bestimmtheit erscheinen? Erscheinung passt nur auf sinnliche Wahrnehmung, wie kommt sie also in der sinnlichen Wahrnehmung vor? Als ein Wollen, aber der Charakter des Wollens ist nach dem Obi- gen ein Sollen, ein Fordern. Sonach müsste diese Bestimmtheit erscheinen als bestimmtes, absolutes Sollen, als kategorische Forderung. Diese bloße Form des Sollens, dieses absolute Fordern ist noch nicht das Sittengesetz; dieses wird es erst, in wiefern es auf eine sinnliche Willkür bzogen wird, und davon ist hier noch nicht die Rede.
Man könnte es nennen reinen Willen, abgesondert von aller Bedingung der Anschauung. Dieser müsste es sein, welchen wir jenem Denken, das wir beschrieben, zum Grunde legen. Aber nun weiß ich wohl das Was, auf wel- ches jenes Denken geht, aber nicht das Wie. Das vermittelnde Glied zwischen diesem Denken und Wollen müsste ein Gefühl sein, denn es ist ein notwendiges Denken. Was könnte dies nun für ein Gefühl sein?
Gefühl ist Beschränkung des Strebens, sonach müsste das Streben über jene durch das reine Wollen ursprüng- //143//lich bestimmte Streben-Sphäre hinausgehen; und aus der Beschränktheit dieses Strebens durch das reine Wollen würde das Gefühl des Nichtdürfens über jene Sphäre des Sollens innerhalb dieser Sphäre, entstehen [sic].
(Das Herausgehen über jene durch den reinen Willen bestimmte Sphäre ist selbst etws Sinnliches, weil es dem reinen Wollen, dem eigentliche wahren ich entgegegesetzt ist.)
Wir finden also Freiheit und Beschränktheit ursprünglich vereinigt in der kategorischen Forderung, die notwen- dig angenommen werden muss, wenn Bewusstsein erklärt werden soll: Freiheit, indem angefangen werden soll, Beschränktheit, in wiefern über die bestimmte Sphäre nicht hinausgegangen werden soll.
________________________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 142f.
Nota I. - Ich finde mich vor als zum Wollen bestimmt: Ich soll. Das soll eine Beschränkung meines Strebens sein, nicht etwa eine Verstärkung. Es soll ihm (F.) dadurch eine Sphäre entstehen, in die hinein er nicht darf. Dazu braucht er das Gefühl. Das Gefühl, auf das er hinauswill, ist der Denkzwang! Der hat sich doch nicht en pas- sant erledigt, sondern er hat ihn auf der Hinterhand behalten: Er braucht ihn, damit "über die bestimmte Sphä- re nicht hinausgangen werden" darf. Was führt er im Schilde?
Nota II. - Festzuhalten bleibt immer: Indem das Ich daran geht, sich zu bestimmen, findet es sich vor als... schon bestimmt, nämlich zum Wollen. Wieder erscheint der erste Schritt als ein zweiter. Das ist der dialektisch-paradoxale Inhalt der intellektuellen Anschaunng: Das Ich setzt sich selbst als sich vorausgesetzt; es kann sich nur als (vor-)bestimmt setzen.
20. 12. 16
Nota III. - Wenn sonst alles gesagt ist, was man philosophisch über die Wissenschaftslehre sagen kann, bleibt metaphilosophisch immer noch hinzuzufügen: Die Wissenschaftslehre ist eine Anthropologie in politischer Absicht. Ihr Ausgangs- und Zielpunkt ist Freiheit. Aber Freiheit nicht als Beliebigkeit, sondern Freiheit zur Selbstbestimmung; Freiheit, die, durch ihre Prämisse bedingt, notwendig zur Vernunft führt. Mit andern Worten - die Wissenschaftslehre muss Freheit als Pflicht darstellen. Sie muss es so darstellen, dass das Ich, wenn es sich als wollend vorfindet, sich ipso facto als sollend anschauen muss. Der Willen der Iche ist frei. Doch ob sie wollen, steht ihnen nicht frei.
Dass Wollen sollen bedeutet, ist das Paradox, das zu bestimmen die Wissenschaftslehre sich zum Zweck setzt. Dabei kann einem wohl schwindelig werden.
JE
Negativ angeschaut ist sie keine sinnliche [Anschauung], die Form der sinnlichen Anschauung ist Übergehen vom Bestimmbaren zur Bestimmtheit. Dies muss in jenem Wollen, insofern es intellektuell angeschaut wird, ganz und gar wegfallen, und es bleibt nur ein bloßes Anschauen unserer Bestimmtheit, die da ist, aber nicht wird. (Die Anschauung der Form nach versteht sich von selbst, denn das Ich muss beibehalten werden.) Es wäre sonach ein bloßes Anschauen meiner selbst als eines Bestimmten.
Wie wird nun diese Bestimmtheit erscheinen? Erscheinung passt nur auf sinnliche Wahrnehmung, wie kommt sie also in der sinnlichen Wahrnehmung vor? Als ein Wollen, aber der Charakter des Wollens ist nach dem Obi- gen ein Sollen, ein Fordern. Sonach müsste diese Bestimmtheit erscheinen als bestimmtes, absolutes Sollen, als kategorische Forderung. Diese bloße Form des Sollens, dieses absolute Fordern ist noch nicht das Sittengesetz; dieses wird es erst, in wiefern es auf eine sinnliche Willkür bzogen wird, und davon ist hier noch nicht die Rede.
Man könnte es nennen reinen Willen, abgesondert von aller Bedingung der Anschauung. Dieser müsste es sein, welchen wir jenem Denken, das wir beschrieben, zum Grunde legen. Aber nun weiß ich wohl das Was, auf wel- ches jenes Denken geht, aber nicht das Wie. Das vermittelnde Glied zwischen diesem Denken und Wollen müsste ein Gefühl sein, denn es ist ein notwendiges Denken. Was könnte dies nun für ein Gefühl sein?
Gefühl ist Beschränkung des Strebens, sonach müsste das Streben über jene durch das reine Wollen ursprüng- //143//lich bestimmte Streben-Sphäre hinausgehen; und aus der Beschränktheit dieses Strebens durch das reine Wollen würde das Gefühl des Nichtdürfens über jene Sphäre des Sollens innerhalb dieser Sphäre, entstehen [sic].
(Das Herausgehen über jene durch den reinen Willen bestimmte Sphäre ist selbst etws Sinnliches, weil es dem reinen Wollen, dem eigentliche wahren ich entgegegesetzt ist.)
Wir finden also Freiheit und Beschränktheit ursprünglich vereinigt in der kategorischen Forderung, die notwen- dig angenommen werden muss, wenn Bewusstsein erklärt werden soll: Freiheit, indem angefangen werden soll, Beschränktheit, in wiefern über die bestimmte Sphäre nicht hinausgegangen werden soll.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 142f.
Nota I. - Ich finde mich vor als zum Wollen bestimmt: Ich soll. Das soll eine Beschränkung meines Strebens sein, nicht etwa eine Verstärkung. Es soll ihm (F.) dadurch eine Sphäre entstehen, in die hinein er nicht darf. Dazu braucht er das Gefühl. Das Gefühl, auf das er hinauswill, ist der Denkzwang! Der hat sich doch nicht en pas- sant erledigt, sondern er hat ihn auf der Hinterhand behalten: Er braucht ihn, damit "über die bestimmte Sphä- re nicht hinausgangen werden" darf. Was führt er im Schilde?
Nota II. - Festzuhalten bleibt immer: Indem das Ich daran geht, sich zu bestimmen, findet es sich vor als... schon bestimmt, nämlich zum Wollen. Wieder erscheint der erste Schritt als ein zweiter. Das ist der dialektisch-paradoxale Inhalt der intellektuellen Anschaunng: Das Ich setzt sich selbst als sich vorausgesetzt; es kann sich nur als (vor-)bestimmt setzen.
20. 12. 16
Nota III. - Wenn sonst alles gesagt ist, was man philosophisch über die Wissenschaftslehre sagen kann, bleibt metaphilosophisch immer noch hinzuzufügen: Die Wissenschaftslehre ist eine Anthropologie in politischer Absicht. Ihr Ausgangs- und Zielpunkt ist Freiheit. Aber Freiheit nicht als Beliebigkeit, sondern Freiheit zur Selbstbestimmung; Freiheit, die, durch ihre Prämisse bedingt, notwendig zur Vernunft führt. Mit andern Worten - die Wissenschaftslehre muss Freheit als Pflicht darstellen. Sie muss es so darstellen, dass das Ich, wenn es sich als wollend vorfindet, sich ipso facto als sollend anschauen muss. Der Willen der Iche ist frei. Doch ob sie wollen, steht ihnen nicht frei.
Dass Wollen sollen bedeutet, ist das Paradox, das zu bestimmen die Wissenschaftslehre sich zum Zweck setzt. Dabei kann einem wohl schwindelig werden.
JE
Montag, 25. Juni 2018
Die Vernunft außer mir ist nur ein Noumen; und doch soll ich sie wahrnehmen.
Duchamp
Man unterscheide sorgfältig Anschauen und reines Denken, wie oben gelehrt wurde. Ich bin ja nur Produkt meines reinen Denkens. Nun ist gesagt, ich greife mich heraus aus einer Vernunft außer mir. Nun würde es aussehen, als ob ich eine Freiheit außer mir nur dächte. Aber dies ist nicht der Fall, sondern es ist die Rede von einer Wahrnehmung der Freiheit und Vernünftigkeit außer mir, und dies muss deduziert werden.
Es ist zwar wahr, dass die Vernunft außer uns nur ein Noumen ist. Ich halte jeden für vernünftig und frei, aber niemand verlangt von mir, dass ich seine Vernünftigkeit hören und sehen solle oder durch einen äußeren Sinn wahrnehmen solle; aber wohl, dass ich aus gewissen Phänomenen dies schließen soll. Aber es muss in der Sin- nenwelt Erscheinungen geben, auf welche ganz allein wir genötigt sind, den Gedanken der Vernunft überzutra- gen, auf welche allein uns dies möglich wird. Sie müssten mit jenem reinen Denken zusammenhängen; sie zu deduzieren ist hier unsere Aufgabe.
__________________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 228
Nota. - Nur in der transzendentalphilosophischen Rekonstruktion erscheint es ja so, als habe das Individuum - noch bevor es zu einem solchen wurde - sich eine Ichheit zu gedacht, von deren Vernünftigkeit es hernach auf die Vernünftigkeit gewisser 'Wesen außer ihm' geschlossen hat. Tatsächlich ist es aber so, dass es sich in einer 'Rei- he vernünftiger Wesen' vorgefunden hat, von der die Aufforderung zu Ichheit und Vernunft an es ergangen war, bevor es noch 'zu sich selbst gekommen' ist.
Das war der Sinn der ganzen Rekonstruktion aus reinem Ich und Wille-überhaupt: wenn auch aufhaltsam, so doch auf geradem Weg zur Wirklichkeit der Vernunft als einer Tatsache zu führen - und auf Schritt und Tritt dar- zulegen, wie dieser Weg zwar nach seiner Prämisse folgerichtig war, aber auf Schritt und Tritt doch aus Freiheit ge- tan wurde.
JE
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Man unterscheide sorgfältig Anschauen und reines Denken, wie oben gelehrt wurde. Ich bin ja nur Produkt meines reinen Denkens. Nun ist gesagt, ich greife mich heraus aus einer Vernunft außer mir. Nun würde es aussehen, als ob ich eine Freiheit außer mir nur dächte. Aber dies ist nicht der Fall, sondern es ist die Rede von einer Wahrnehmung der Freiheit und Vernünftigkeit außer mir, und dies muss deduziert werden.
Es ist zwar wahr, dass die Vernunft außer uns nur ein Noumen ist. Ich halte jeden für vernünftig und frei, aber niemand verlangt von mir, dass ich seine Vernünftigkeit hören und sehen solle oder durch einen äußeren Sinn wahrnehmen solle; aber wohl, dass ich aus gewissen Phänomenen dies schließen soll. Aber es muss in der Sin- nenwelt Erscheinungen geben, auf welche ganz allein wir genötigt sind, den Gedanken der Vernunft überzutra- gen, auf welche allein uns dies möglich wird. Sie müssten mit jenem reinen Denken zusammenhängen; sie zu deduzieren ist hier unsere Aufgabe.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 228
Nota. - Nur in der transzendentalphilosophischen Rekonstruktion erscheint es ja so, als habe das Individuum - noch bevor es zu einem solchen wurde - sich eine Ichheit zu gedacht, von deren Vernünftigkeit es hernach auf die Vernünftigkeit gewisser 'Wesen außer ihm' geschlossen hat. Tatsächlich ist es aber so, dass es sich in einer 'Rei- he vernünftiger Wesen' vorgefunden hat, von der die Aufforderung zu Ichheit und Vernunft an es ergangen war, bevor es noch 'zu sich selbst gekommen' ist.
Das war der Sinn der ganzen Rekonstruktion aus reinem Ich und Wille-überhaupt: wenn auch aufhaltsam, so doch auf geradem Weg zur Wirklichkeit der Vernunft als einer Tatsache zu führen - und auf Schritt und Tritt dar- zulegen, wie dieser Weg zwar nach seiner Prämisse folgerichtig war, aber auf Schritt und Tritt doch aus Freiheit ge- tan wurde.
JE
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Samstag, 23. Juni 2018
An der Grenze des Bewusstseins.
Von diesem Zustand wollen wir übergehen zur Beschränktheit, jetzt kann das Ich nicht handeln, seine praktische Tätigkeit ist angehalten. Nun ist der Charakter des Ich, dass es sich idealiter setze oder anschaue; dies ist erst jetzt möglich, denn jetzt ist etwas Gehaltenes da. Es muss ein Bewusstsein des Triebes oder der Beschränktheit notwendig geben. Aus dem Triebe folgt Bewusstsein.
Wenn das Ich lauter Tätigkeit wäre und keine Beschränkung in ihm vorkäme, so könnte es sich nicht seiner Tätigkeit bewusst werden. Es kann im Ich nichts vorkommen ohne Bewusstsein, nun kommt hier der Trieb vor, folglich muss Bewusstsein desselben dasein.
Anmerkung: A) Hier teilen sich ideale und reale Tätigkeit, und die oben beschriebene Entgegensetzung beider wird möglich. Wir stehen an der Grenze des Bewusstseins, weil wir den Ursprung alles Bewusstseins sehen.
B) Ideale Tätigkeit ist nur eine gebundene; ihr unmittelbares Objekt ist die praktische [Tätigkeit], ihre Gebunden-heit hängt von der praktischen ab, diese muss ursprünglich ein Streben sein, und dies ist der Ursprung des Be-wusstseins.
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Wissenschaftslehre nova methodo, S. 67
Nota. - Stieße die Tätigkeit auf keinen Widerstand, gäbe es kein Gefühl. Gäbe es kein Gefühl, gäbe es kein Anschauen; gäbe es kein Rückwirken eines X auf sich 'selbst'. Dieses aber gibt es - das ist die faktische Aus- gangslage, sie soll erklärt werden.
Die Tätigkeit gibt es, sie geht auf ein Reales, sie ist reale Tätigkeit. Aber da sie hernach "anschauend" auf das Gefühl des X zurückgeht, ist sie offenbar nicht nur real. Den anschauenden Teil (Quantum) der Tätigkeit nennt er darum ideal. 'Nun ist der Charakter des Ich...': Das ist keine dogmatisch behauptete Voraussetzung, sondern es ist erschlossen aus der Tat sache der Anschauung. Verstanden werden kann das, was wirklich geschehen ist, nur durch die Annahme eines Ich, dessen Tätigkeit als teilbar gedacht wird.
Es ist auch dies nur wieder eine Variation zum Thema Subjektobjekt.
Nota.
Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden.
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wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
Freitag, 22. Juni 2018
Was taugt Fichte für die Gegenwart?
Moulin, Objet trouvé à Pompéi
Und umgekehrt. Dass das kritische Geschäft dringend einen Neubeginns braucht, ist allerdings evident. Wer fragt denn schon noch nach Vernunft? Man muss anscheinend ganz von vorn anfangen.
Es zieht sich durch die ganze Wissenschaftslehre bis hin zum Atheismusstreit eine doppelte Auffassung von Vernunft.
Immer wieder heißt es, wir machten die Vernunft selber. Und dann stellt sich das Selbermachen als das Auf- finden eines seinem Stoff nach schon Gegebenen dar.
Nach den Voraussetzungen der Wissenschaftslehre kann Vernunft nur aus den von den Ichen selber hervor- gebrachten Bildern stammen. Ein anderes Material kann sie nicht haben. Sie ist Bildung und nicht Abbildung.
Immer wieder heißt es, wir machten die Vernunft selber. Und dann stellt sich das Selbermachen als das Auf- finden eines seinem Stoff nach schon Gegebenen dar.
Nach den Voraussetzungen der Wissenschaftslehre kann Vernunft nur aus den von den Ichen selber hervor- gebrachten Bildern stammen. Ein anderes Material kann sie nicht haben. Sie ist Bildung und nicht Abbildung.
Das Einschmuggeln einer
irgendwie gearteten Vorherbestimmung widerspricht der
Transzendentalphilosophie. Es ist ein dogmatischer Überrest, eine
metaphysische Schlacke, die dem kritischen Blick entgangen war. Wer die
Philosophie Fichtes für die Gegenwart brauchbar machen will, muss das
kritische Geschäft an dieser Stelle neu beginnen.
29. 5. 15
29. 5. 15
Und umgekehrt. Dass das kritische Geschäft dringend einen Neubeginns braucht, ist allerdings evident. Wer fragt denn schon noch nach Vernunft? Man muss anscheinend ganz von vorn anfangen.
Donnerstag, 21. Juni 2018
Es gibt kein Wissen ohne Voraussetzung.
Der praktische Zweck nun ist, diese Zweifel zu lösen; den Menschen in Übereinstimmung mit sich selbst zu bringen, dass er aus Überzeugung und aus Gründen seinem Bewusstsein glaubt, wie er es vorher aus Vernunft- instinkt tat. (Der ganze /7/ Zweck der Bildung des Menschen ist, ihn durch Arbeit zu dem zu machen, was er vorher ohne Arbeit war.) Dieser Zweck ist in der Kantischen Philsosphie völlig erreicht, sie ist bewiesen, und jeder, der sie versteht, muss sie für wahr halten.
Aber der Mensch ist auch nicht bestimmt, sich damit begnügen zu lassen. Er ist bestimmt zu vollständiger und systematischer Kenntnis. Es ist nicht genug, dass unsere Zweifel glöst und dass wir zur Ruhe verwiesen sind, wir wollen auch Wissenschaft. Es ist ein Bedürfnis der Menschen nach Wissenschaft, und die Wissenschafts- lehre macht sich anheischig, dies Bedürfnis zu befriedigen.
Also die Resultate der Wissenschaftslehre sind mit denen der Kantischen Philososphie dieselben, nur die Art, sie zu begründen, ist in jener eine ganz andere. Die Gesetze des menschlichen Denkens sind bei Kant nicht streng wissenschaftlich abgeleitet, dies soll aber in der Wissenschaftslehre geschehen. In dieser werden abgelei- tet die Gesetze des endlichen Vernunftwesens überhaupt; im Kantischen System werden bloß aufgestellt die Gesetze des Menschen, weil es bloß auf Erfahrung beruht, diese werden in der Wissenschaftslehre bewiesen.
Ich beweise jemandem etwas heißt, ich bringe ihn dazu, dass er annehme, dass er irgendeinen Satz schon zuge- geben habe, indem er die Wahrheit irgendeines anderen vorher zugegeben hatte. Jeder Beweis setzt also bei dem, dem er bewiesen werden soll, schon etwas Bewiesenes voraus, und zwei, die über nichts einig sind, kön- nen einander auch nichts beweisen.
Da nun die Wissenschaftslehre beweisen will die Gesetze, nach denen das endliche Vernunftwesen bei Hervor- bringung seiner Erkenntnis verfährt: so muss sie dies an irgend etwas anknüpfen, und da sie unser [Wissen?] be- gründen will, an etwas, das jedermann zugibt. Gibt es so etwas nicht, so ist systematische Philosophie unmög- lich.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S.6f.
Nota. - Das ist das Verfahren der Wissenschaftslehre: Statt freihändig Begriffe zu definieren und daraus ein System zu bauen, sucht sie in den wirkliche Vorstellungen der 'endlichen' Vernunftwesen die ihnen zu Grunde liegenden anschaulichen Voraussetzungen auf, und erst, wenn sie an den Punkt gerät, hinter den es nicht hin- ausgeht, kehrt sie ihren Gang um und setzt, was sie zuvor analytisch auseinandergelgt hatte, synthetisch wieder zusammen; daran, ob auf diesem Weg die wirkliche Vorstellungswelt der 'endlichen Vernunftwesen' hinreichend rekonstuiert werden kann, entscheidet sich ihre Richtigkeit.
Nota II. - 'Der Mensch ist bestimmt zu vollständiger und systematischer Kenntnis': woher weiß er das? Nach seiner Lehre ist der Mensch, sofern er Vernunftwesen ist, nur bestimmt als das, wozu er sich selbst bestimmt. Wenn er sagt 'So ist es', kann es sich entweder um die Feststellung eines empirisch Vorgefundenen handeln, oder um ein Postulat: 'So soll es sein.' - Tatsächlich handelt es sich hier um beides; es ist die historisch vorge- fundene Tatsache des autonomen bürgerlichen Subjekts; und der Entschluss des theoretischen Philosophen, dies empirisch Gegebene als den Zielpunkt seiner (Re-) Konstruktion anzusehen. Die Wissenschaftslehre ist die Anthropologie des bürgerlichen Zeitalters.
30. 5. 16
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Mittwoch, 20. Juni 2018
Von hinten durch die Brust ins Auge.
Vertigo
4) Die ideale und reale Tätigkeit sollen hier gegeneinander noch schärfer bestimmt werden.
A) Keine reale Tätigkeit des Ich ohne ideale. Denn das Wesen des Ich besteht in dem sich selbst Setzen; soll die Tätigkeit des Ich real sein, so muss sie durch das Ich sein; das aber, wodurch sie gesetzt wird, ist die ideale.
Dem Naturobjekte schreiben wir Kraft zu, aber nicht Kraft für sich, weil es kein Bewusstsein hat. Nur das Ich hat Kraft für sich.
B) Umgekehrt keine ideale Tätigkeit des Ich ohne reale. Eine ideale Tätigkeit ist eine durch das Ich gesetzte, die wieder Objekt der Reflexion geworden ist und wieder durch ideale Tätigkeit vorgestellt wird. Sonst wäre das Ich wie ein Spiegel, der wohl vorstellt, aber sich selbst nicht wieder vorstellt. – Dies wieder-Objekt-Sein der idealen Tätigkeit ist mit dem Ich postuliert. Aber dies Objektmachen geschieht durch reale Tätigkeit. Ist letztere nicht, so ist kein Selbstanschauen der idealen Tätigkeit möglich. Die ideale Tätigkeit hätte nichts ohne die reale, und sie wäre nichts, wenn ihr nicht durch reale [Tätigkeit] etwas hingestellt würde.
_______________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, S. 48
Nota. - Real soll jede Tätigkeit heißen, die auf eine res geht: auf ein Nichtich. Auch die Anschaunng des Ich durch es selbst geht auf es selbst nur, sofern es sich nicht als Ich anschaut. Ideal - von gr. ídein=sehen - ist da- gegen die Tätigkeit des Ich, durch die es sich bei seiner realen Tätigkeit zuschaut. Da wirken nicht zweierlei Sub- stanzen, die auf mysteriöse Weise aneinander gebunden sind. Es ist vielmehr die eine Tätigkeit des Ich, das das eine nicht tun kann, ohne das andere zu tun, weil es anders ein Ich gar nicht wäre; richtiger: gar nicht würde. Indem und sofern ein X sich bei seiner wirklichen Tätigkeit - einer Tätigkeit in der wirklichen Welt - zuschaut, "setzt" es sich als ein Ich.
Was da klingt wie ein gedanklicher Zungenbrecher, ist nichts als eine Eräuterung des Subjektobjekt-Charakters des Ich.
JE
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
A) Keine reale Tätigkeit des Ich ohne ideale. Denn das Wesen des Ich besteht in dem sich selbst Setzen; soll die Tätigkeit des Ich real sein, so muss sie durch das Ich sein; das aber, wodurch sie gesetzt wird, ist die ideale.
Dem Naturobjekte schreiben wir Kraft zu, aber nicht Kraft für sich, weil es kein Bewusstsein hat. Nur das Ich hat Kraft für sich.
B) Umgekehrt keine ideale Tätigkeit des Ich ohne reale. Eine ideale Tätigkeit ist eine durch das Ich gesetzte, die wieder Objekt der Reflexion geworden ist und wieder durch ideale Tätigkeit vorgestellt wird. Sonst wäre das Ich wie ein Spiegel, der wohl vorstellt, aber sich selbst nicht wieder vorstellt. – Dies wieder-Objekt-Sein der idealen Tätigkeit ist mit dem Ich postuliert. Aber dies Objektmachen geschieht durch reale Tätigkeit. Ist letztere nicht, so ist kein Selbstanschauen der idealen Tätigkeit möglich. Die ideale Tätigkeit hätte nichts ohne die reale, und sie wäre nichts, wenn ihr nicht durch reale [Tätigkeit] etwas hingestellt würde.
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Wissenschaftslehre nova methodo, S. 48
Nota. - Real soll jede Tätigkeit heißen, die auf eine res geht: auf ein Nichtich. Auch die Anschaunng des Ich durch es selbst geht auf es selbst nur, sofern es sich nicht als Ich anschaut. Ideal - von gr. ídein=sehen - ist da- gegen die Tätigkeit des Ich, durch die es sich bei seiner realen Tätigkeit zuschaut. Da wirken nicht zweierlei Sub- stanzen, die auf mysteriöse Weise aneinander gebunden sind. Es ist vielmehr die eine Tätigkeit des Ich, das das eine nicht tun kann, ohne das andere zu tun, weil es anders ein Ich gar nicht wäre; richtiger: gar nicht würde. Indem und sofern ein X sich bei seiner wirklichen Tätigkeit - einer Tätigkeit in der wirklichen Welt - zuschaut, "setzt" es sich als ein Ich.
Was da klingt wie ein gedanklicher Zungenbrecher, ist nichts als eine Eräuterung des Subjektobjekt-Charakters des Ich.
JE
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
Dienstag, 19. Juni 2018
Kant, Begriff und Anschauung.
Heise
Bei Kant heißt die Philosophie eine Vernunfterkenntnis aus Begriffen, dies kann aber bei ihm selbst nicht so sein, denn nach ihm ist jeder Begriff ohne Anschauung leer; auch spricht er von transzendentaler Einbildungs- kraft, diese lässt sich nur anschauen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 33
Nota. - Transzendentalphilosophie heißt Vernunftkritik. Das ist eine problematische Sache, denn das Vordrin- gen zum Ursprung der Vernunft kann die Vernunft selber nur mit ihren eigenen Instrumenten bewerkstelligen: Das, was sie erklären will, muss sie in toto voraussetzen.
Dass Kant mit seiner Kritik nur bis zum sogenannten Apriori gelangt ist, hat, außer dass er nicht weiterkom- men wollte, auch diesen methodologischen Grund, dass er sich der Paradoxie seines Verfahrens nicht bewusst wurde. Fichte spricht sie in seiner Wissenschaftslehre immer wieder mal an, aber nur so nebenher wie ein tech- nisches Verfahrensproblem. Dabei tut er aber viel mehr. Er verfolgt die Genesis der Vernunft hinter das Stadi- um zurück, wo sie noch diskursiv darstellbar ist. Mit andern Worten, er entledigt sich der Begriffe und der Schlussregeln.
Das diskursive Verfahren besteht darin, festgestellte Begriffe anhand der Definitionen, aus denen sie gemacht sind, mit andern festgestellten Begriffen und deren Definitionen logisch zu verknüpfen. Das diskursive Verfah- ren ist eine Kette von lauter Gleichungen. Mit andern Worten, mehr als was in die Begriffe zuvor hineinge- steckt wurde, kann nicht herauskommen. Es werden Merkmale zueinander in immer neue Verhältnisse gesetzt, aber material kommt nichts hinzu. Das soll es aber: Es soll sichtbar werden, wie dort, wo zuvor keine Vernunft war, Vernunft entsteht.
Fichte musste das Schaffen der Einbildungskraft selber anschaulich machen, aus dessen Reflexion Begriffe überhaupt erst entstehen können. Er musste das Vorstellen darstellen.
All das steckt in dem obigen kleinen Satz.
JE
Bei Kant heißt die Philosophie eine Vernunfterkenntnis aus Begriffen, dies kann aber bei ihm selbst nicht so sein, denn nach ihm ist jeder Begriff ohne Anschauung leer; auch spricht er von transzendentaler Einbildungs- kraft, diese lässt sich nur anschauen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 33
Nota. - Transzendentalphilosophie heißt Vernunftkritik. Das ist eine problematische Sache, denn das Vordrin- gen zum Ursprung der Vernunft kann die Vernunft selber nur mit ihren eigenen Instrumenten bewerkstelligen: Das, was sie erklären will, muss sie in toto voraussetzen.
Dass Kant mit seiner Kritik nur bis zum sogenannten Apriori gelangt ist, hat, außer dass er nicht weiterkom- men wollte, auch diesen methodologischen Grund, dass er sich der Paradoxie seines Verfahrens nicht bewusst wurde. Fichte spricht sie in seiner Wissenschaftslehre immer wieder mal an, aber nur so nebenher wie ein tech- nisches Verfahrensproblem. Dabei tut er aber viel mehr. Er verfolgt die Genesis der Vernunft hinter das Stadi- um zurück, wo sie noch diskursiv darstellbar ist. Mit andern Worten, er entledigt sich der Begriffe und der Schlussregeln.
Das diskursive Verfahren besteht darin, festgestellte Begriffe anhand der Definitionen, aus denen sie gemacht sind, mit andern festgestellten Begriffen und deren Definitionen logisch zu verknüpfen. Das diskursive Verfah- ren ist eine Kette von lauter Gleichungen. Mit andern Worten, mehr als was in die Begriffe zuvor hineinge- steckt wurde, kann nicht herauskommen. Es werden Merkmale zueinander in immer neue Verhältnisse gesetzt, aber material kommt nichts hinzu. Das soll es aber: Es soll sichtbar werden, wie dort, wo zuvor keine Vernunft war, Vernunft entsteht.
Fichte musste das Schaffen der Einbildungskraft selber anschaulich machen, aus dessen Reflexion Begriffe überhaupt erst entstehen können. Er musste das Vorstellen darstellen.
All das steckt in dem obigen kleinen Satz.
JE
Montag, 18. Juni 2018
Eine Immanenz, die aus sich herausgeht.
Dalí, Geburt
Ich finde mich als wollend nur, in wiefern durch meinen Begriff etwas wirklich werden soll. Dies ist Gesetz meiner sinnlichen Erkenntnis, nun ist diese Wirklichkeit nicht, außer in wie fern sie durch meinen Begriff sein soll, sie wird also nicht erblickt, als insofern mein Begriff als Kausalität habend angeschaut wird. Nur insofern die Kategorie etwas hinzusetzt, produzierend ist; an einen Begriff als einen wirkenden wird die Wirkung erst hinzugedacht; durch die Kategorie wird etwas.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 198
Nota I. - Hier sind wir nicht mehr beim reinen, sondern schon beim empirischen Wollen: Als Bestimmungs- grund ist der (Zweck-) Begriff hinzugetreten. Die Vorstellung der Kausalität ist ein Derivat des Wollens.
In der Wirklichkeit will ich freilich immer schon etwas - dieses oder jenes -, und nie 'rein'.
21. 12. 14
Nota II. - Das reine Wollen wäre ein Unbestimmtes. Aber es wird vorgestellt als bestimmen-Wollen. Als der Er- klärungsgrund des wirklichen Bestimmens. Zu erklären ist die vorgefundene Tatsache, dass der vernünftige Mensch sich als schlechterdings bestimmend vorstellt. Oder, weil er sich als schlechterdings bestimmend vorfindet, nennt er sich vernünftig. Er ist zum Bestimmen bestimmt. Sein wirklich-Wollen ist Sollen.
Das ist alles zirkulär? Natürlich; denn die Vernunft ist nur immanent zu erklären. Würde sie durch irgendetwas außer ihr erklärt, wäre sie ein Glaubenssatz, und das ist das Gegenteil von Vernunft.
Allerdings geht sie aus sich heraus und schafft Dinge, von denen sie notwendig annimmt, dass sie außer ihr bestehen. Dies wiederum ist nur aus ihr selbst zu erklären. Wenn es dieses Paradox nicht gäbe, bräuchten wir keine Trnszendentalphilosophie.
JE
Sonntag, 17. Juni 2018
Im Gefühl ist das Ich gebunden; in der Anschauung ist es einerseits gebunden, andererseits frei.
§ 7
Mit dem Gefühle ist eine Anschauung notwendig verbunden, denn das Gefühl ist Begrenztheit; aber eine Be- grenztheit ist nichts ohne Gegensatz der Tätigkeit; aber dasjenige im Ich, was notwendige Tätigkeit bleibt, ist sein ideales Vermögen. Der Vereinigungspunkt des Gefühls und der Anschauung ist der, dass das Ich sich, in- dem es in realer Rücksicht sich begrenzt fühlt, sich in idealer anschauend fühlt.
In wiefern die Anschauung auf die Begrenztheit geht - welche Begrenztheit dadurch, dass die Anschauung auf sie geht, bloßes Objekt ohne alle Beziehung auf ein Subjekt wird -. wird sie gefühlt als gebunden in der Darstel- lung des Objekts; aber ein solches Gefühl ist nicht möglich ohne ein entgegengesetztes der Freiheit. Die An- schauung wird sonach auch in anderer Rücksicht als frei gefühlt und ist in sofern Anschauung des Ideals.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 87
Nota I. - Das 'Wesen' des Ich ist Tätigkeit, Wollen, Streben, Trieb - nämlich Einbildungskraft; aber dies alles ge- dacht als an-sich-seiend. Real wird es im Moment, da es auf einen Widerstand stößt, es 'reißt sich zusammen' zum reellen Einbilden eines Objekts - "Darstellung", sagt F. an dieser Stelle; eine hilfreiche Erläuterung. (Aus dem Kreis des 'bloßen Vorstellens' treten wir nirgends heraus.)
25. 9. 16
Nota II. - Dies als vorweggenommene Erläuterung zum gestrigen Eintrag.
JE
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
Samstag, 16. Juni 2018
Ohne ursprüngliche Beschränktheit keine Freiheit.
M. Pugliese, La promessa
2. Dieser Zirkel ließe sich nur so entfernen: dass das Verhältnis der Dependenz dazugedacht würde, so dass Gefühl und //139// Handeln in demselben Zustand vereinigt gedacht würden und dass beide integrierende Teiule desselben Ganzen ausmachen.
Gefühl ist Beschränktheit, Handeln ist Freiheit; sonach müssten Beschränktheit und Freiheit vereinigt werden: Eins dürfte nicht ohne das andre möglich sein. Wir müssten eine Freiheit aufzeigen, die nicht Freiheit wäre, wenn sie nicht beschränkt wäre, und eine Beschränkung, die nicht beschränkt würde, wenn sie nicht frei wäre. Es müsste ein X geben, in welchem beide vereinigt wären.
Wie soll nun Freiheit und Beschränkung vereinigt werden? Die Freiheit darf nicht aufgehoben werden, die Freiheit ist absolutes Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Darin darf ihre Beschränktheit nicht liegen, sie müsste darin liegen, dass die Bestimmbarkeit selbst ein endliches Quantum wäre, und zwar dass es keine Äußerung der Freiheit gäbe, ohne dass auf dieses Quantum reflektiert würde.
In dem unbekannten X liegt, dass die Freiheit beschränkt sein soll. Man denke sich ein auf irgendeine Weise tätiges Wesen; z. B. ein Stahlfeder, die gedrückt ist, sträubt sich gegen den Druck, dies ist Tätigkeit, aber nicht freie Tätigkeit, es ist in ihrer Natur, sie ist so bestimmt. Aber von einer solchen Bestimmtheit des Vernunftwe- sens kann nicht die Rede sein. Es muss übergegangen werden durch Wahl. Das Übergehen von der Unbe- stimmtheit zur Bestimmtheit müsste ein Quantum sein für die Wahl durch Freiheit. Auch müsste ohne Reflektie- ren auf dieses Quantum keine Freiheit möglich sein. Wenn dies so wäre, so würde, da alle Beschränktheit sich durch ein Gefühl äußert, keine Wahl durch Freiheit möglich sein ohne ein Gefühl der Beschränktheit.
Es ist oben die Rede gewesen von der Beschränktheit überhaupt, die sich durch das Urgefühl (das Gefühl des ganzen Zustands) äußert, das System der Sensibilität. Dieses System würde selbst ein Gefühl, und lediglich, inwieferen ich frei wäre.
Wir haben auch gesehen, dass dies Gefühl gesetzt wird als etwas im Raume, als unser Leib. Dies dürfte auch hier so sein; die Summe unserer Bestimmtheit wäre unser Leib. (Diese bestimmte Summe der Bestimmbarkeit wird sich, sinnlich be-//140//trachtet, zeigen als Individualität, und übersinnlich gedacht, als Sittengesetz!)
________________________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 138ff.
Nota I. - Wenn irgendwo bei Fichte ein ferner Anklang an den metaphysischen Leib-Seele-Dualismus zu finden ist, wäre es hier: Es ist der ursprüngliche Gegensatz von leiblicher Beschränktheit und der Grenzenlosigkeit der Einbildungskraft.
16. 12. 16
Nota II. - Als Leib bin ich Ding der Sinnenwelt in Raum und Zeit, als Einbildungskraft schaffe ich eine intelligible Welt. Als Leib fühle ich, als Einbildungskraft schaue ich an. Als Leib bin ich beschränkt, als Einbildungskraft bin ich frei. Denn das Anschauen des Gefühls - reale Tätigkeit - bindet nur einen Teil meiner Einbildungskraft. Der überschießende Teil - ideale Tätigkeit - geht ins Unendliche fort.
Nicht zu übersehen: Am Anfang steht der Leib. Wäre ich nicht durch ihn beschränkt, fände die Einbildungskraft kein Motiv, über das sie hinausgehen kann. Die Beschränktheit fühle ich nicht, ehe ich über sie hinausgehe. Merke: Zur Freiheit muss ich mich bestimmen.
JE
2. Dieser Zirkel ließe sich nur so entfernen: dass das Verhältnis der Dependenz dazugedacht würde, so dass Gefühl und //139// Handeln in demselben Zustand vereinigt gedacht würden und dass beide integrierende Teiule desselben Ganzen ausmachen.
Gefühl ist Beschränktheit, Handeln ist Freiheit; sonach müssten Beschränktheit und Freiheit vereinigt werden: Eins dürfte nicht ohne das andre möglich sein. Wir müssten eine Freiheit aufzeigen, die nicht Freiheit wäre, wenn sie nicht beschränkt wäre, und eine Beschränkung, die nicht beschränkt würde, wenn sie nicht frei wäre. Es müsste ein X geben, in welchem beide vereinigt wären.
Wie soll nun Freiheit und Beschränkung vereinigt werden? Die Freiheit darf nicht aufgehoben werden, die Freiheit ist absolutes Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Darin darf ihre Beschränktheit nicht liegen, sie müsste darin liegen, dass die Bestimmbarkeit selbst ein endliches Quantum wäre, und zwar dass es keine Äußerung der Freiheit gäbe, ohne dass auf dieses Quantum reflektiert würde.
In dem unbekannten X liegt, dass die Freiheit beschränkt sein soll. Man denke sich ein auf irgendeine Weise tätiges Wesen; z. B. ein Stahlfeder, die gedrückt ist, sträubt sich gegen den Druck, dies ist Tätigkeit, aber nicht freie Tätigkeit, es ist in ihrer Natur, sie ist so bestimmt. Aber von einer solchen Bestimmtheit des Vernunftwe- sens kann nicht die Rede sein. Es muss übergegangen werden durch Wahl. Das Übergehen von der Unbe- stimmtheit zur Bestimmtheit müsste ein Quantum sein für die Wahl durch Freiheit. Auch müsste ohne Reflektie- ren auf dieses Quantum keine Freiheit möglich sein. Wenn dies so wäre, so würde, da alle Beschränktheit sich durch ein Gefühl äußert, keine Wahl durch Freiheit möglich sein ohne ein Gefühl der Beschränktheit.
Es ist oben die Rede gewesen von der Beschränktheit überhaupt, die sich durch das Urgefühl (das Gefühl des ganzen Zustands) äußert, das System der Sensibilität. Dieses System würde selbst ein Gefühl, und lediglich, inwieferen ich frei wäre.
Wir haben auch gesehen, dass dies Gefühl gesetzt wird als etwas im Raume, als unser Leib. Dies dürfte auch hier so sein; die Summe unserer Bestimmtheit wäre unser Leib. (Diese bestimmte Summe der Bestimmbarkeit wird sich, sinnlich be-//140//trachtet, zeigen als Individualität, und übersinnlich gedacht, als Sittengesetz!)
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 138ff.
Nota I. - Wenn irgendwo bei Fichte ein ferner Anklang an den metaphysischen Leib-Seele-Dualismus zu finden ist, wäre es hier: Es ist der ursprüngliche Gegensatz von leiblicher Beschränktheit und der Grenzenlosigkeit der Einbildungskraft.
16. 12. 16
Nota II. - Als Leib bin ich Ding der Sinnenwelt in Raum und Zeit, als Einbildungskraft schaffe ich eine intelligible Welt. Als Leib fühle ich, als Einbildungskraft schaue ich an. Als Leib bin ich beschränkt, als Einbildungskraft bin ich frei. Denn das Anschauen des Gefühls - reale Tätigkeit - bindet nur einen Teil meiner Einbildungskraft. Der überschießende Teil - ideale Tätigkeit - geht ins Unendliche fort.
Nicht zu übersehen: Am Anfang steht der Leib. Wäre ich nicht durch ihn beschränkt, fände die Einbildungskraft kein Motiv, über das sie hinausgehen kann. Die Beschränktheit fühle ich nicht, ehe ich über sie hinausgehe. Merke: Zur Freiheit muss ich mich bestimmen.
JE
Freitag, 15. Juni 2018
Erst das Sollen schafft das Bestimmbare.
Vor der Hand wollen wir das Bestimmbare ansehen. - Das Denken des Sollens setzt sonach ein System des Bestimmbaren voraus. Dieses Bestimmbare würde nicht sein ohne die Aufgabe, das Sollen zu denken, und diese würde nicht sein ohne das Sollen selbst. (Lediglich durch das Denken wird das Bestimmbare herbei- geführt.)
Aus diesem notwendig zu setzenden Bestimmbaren werden wir alle Elemente des Bewusstseins ableiten als Mittelbares, herbeigebracht durch das Bewusstsein des Sollens.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 146
Nota I. - Nicht schon durch das Wollen, wie es bisher schien, entsteht das Bestimmbare, sondern erst durch das Sollen als seine höhere Potenz: Das Unbestimmte ist nun nicht mehr bloß (bei gutem Willen) bestimmbar, son- dern gilt kategorisch als ein Zu-Bestimmendes. (So erst wird es endlich, und so wird es wirklich.)
Im Sinne einer kritischen Anthropologie gedeutet, hat das Sinn. Das Zeitalter der Vernunft hob an, als die Menschen nicht mehr bloß okkasionell in je bestimmter Absicht das ihnen Begegnende zu begreifen suchten, sondern dazu übergingen, das Begreifen als ein Anforderung anzusehen, die von Rechts wegen generell an sie gestellt wird.
Es klingt bei F. aber die Absicht an, an das Verb sollen das Sittlichkeitsgebot zu knüpfen - in Verbindung wo- möglich mit der Neigung, 'die Vernunft' als vor-gegeben aufzufassen. Es wird nötig sein, sich die Einführung des Sollens daraufhin noch einmal anzusehen.
24. 12. 16
Nota II. - Es geht der Wissenschftslehre darum zu verstehen - einsehen, woher und wozu -, wie das von uns historisch vorgefundene System der Vernunft entstanden ist. Dass es entstanden ist, ist uns vorausgesetzt, dass es entstehen musste, braucht daher nicht erwiesen zu werden. Darzulegen sind die Bedingungen der Möglichkeit sei- nes Entstehens. Und zwar vollständig: Zeigt sich in der Darstellung eine Lücke, so muss sie gefüllt werden.
Soll das Wollen des Ich, soll die Bestimmbarkeit von Ich und Nichtich nicht zufällig sein, sondern notwendig, dann muss ein Objektivum angenommern werden. Also doch ein metaphysisches Müssen von außerhalb? Nein nein. Sondern das zufällige Wünschen muss zum Wollen festgestellt werden, indem es einen Grund findet. Aber eben im Ich selbst.
Es ist geschehen, dass die Menschen sich eine Welt als Inbegriff des Bestimmbar-zu-Bestimmenden vorgestellt haben. Es muss also gedacht werden, dass sie sich als bestimmen-sollend vorgefunden haben, um sich als bestim- men-wollend bestimmen zu können. Nämlich aus Freiheit.
Nicht gedacht muss werden, dass irgendwann alle empirischen Individuen sich als bestimmensollend gefühlt haben. Es soll nicht gezeigt werden, wie alle Menschen vernünftig geworden sind. (Sind sie es?) Sondern es solle gezeigt werden, wie es möglich war, dass aus der Menge der Menschen heraus eine 'Reihe vernünftiger Wesen' und ipso facto eine intelligible Welt entstanden sind, in der diese miteinander verkehren.
Allerdings behauptet die Vernunft seither, im Namen Aller zu sprechen. Um sich damit durchzusetzen, wird sie mehr aufbieten müssen als bloß vernünftige Gründe; denn die überzeugen nur die schon Überzeugten.
JE
Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE.
Donnerstag, 14. Juni 2018
Wollen ist sinnlich, das reine Wollen ist bloß Erklärungsgrund.
Wollen ist zuförderst ein selbsttätig Bestimmen, alles Bestimmen ist durch die Einbildungskraft vermittelt, es ist ein tätiges Bestimmen zu einem Zweckbegriffe. Sonach ist der ganze Begriff des Wollens sinnlich, alles Wollen ist Erscheinung, das reine Wollen wird bloß als Erklärungsgrund vorausgesetzt, es ist in unserer Vorstellung und Sprache nicht zu fassen. -
Absolute Selbstheit, Autonomie, Freiheit, alles ist gleich unbegreiflich. Die Freiheit lässt sich nur negativ be- schreiben, durch nicht-Bestimmtwerden.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 213
Nota. - Wenn man überhaupt von einem An-sich reden könne, dann wäre es das reine Wollen, hatte es zuvor geheißen. Nicht freilich als ein metaphysisches Subjekt vor aller Erscheinung, sondern als bloßes Gedanken- ding: Noumenon.
Wozu ein solches Gedankending? Als Erklärungsgrund. Wenn aber ein Realgrund im Sinne von Ursache und Wirkung nicht gemeint wäre - was dann? Es kann nur eine nachträgliche Sinn-Bestimmung sein. Der Zielpunkt, auf den die Rekonstruktion des Vorstellungsgangs hinauslaufen soll, ist gegeben - ein Zustand, in der Vernunft gilt (gelten soll: das ist dasselbe). Was Vernunft aber ist - woher sie kommt, woraus sie besteht, worin ihr Zweck liegt - sollte die Kritik erst herausfinden: Es ist Selbstbestimmen des Wollens zu einer Übereinstimmung der Vernunftwesen. Ad quem - Übereinstimmung, a quo - Wollen; das sind die beiden Pole derselben Sache.
Doch was im Nachhinein aussieht wie das Ergebnis einer Analyse, war im Anfang eine Synthesis par excellence: ein Postulat.
JE
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