Delacroix
Und so hätten wir denn das ganze Objekt des Rechtsbegriffes; nämlich eine Gemeinschaft zwischen freien Wesen als solchen. Es ist notwendig, dass jedes freie Wesen andere seiner Art außer sich annehme; aber es ist nicht notwen- dig, dass sie alle, als freie Wesen, nebeneinander fortbestehen. Der Gedanke einer solchen Gemeinschaft und die Realisation desselben ist sonach etwas Willkürliches.
Wenn aber er gedacht werden sollte; wie, durch welchen Begriff, durch welche bestimmte Handelsweise wird er gedacht? Es findet sich, dass man in Gedanken jedes Mitglied der Gesellschaft seine eigene Freiheit, durch in- nere Freiheit, so beschränken lasse, dass alle anderen außer ihm auch äußerlich frei sein können. Dies ist nun der Rechtsbegriff.
Wird er, weil der Gedanke und die Aufgabe einer solchen Gemeinschaft willkürlich ist, / gedacht als ein prak- tischer Begriff, so ist er bloß technisch-praktisch: d. h. wenn gefragt würde, nach welchen Grundsätzen eine Gemeinschaft zwischen freien Wesen als solchen errichtet werden könnte, wenn etwa jemand eine solche er- richten wollte, so müsste geantwortet werden: aus dem Rechtsbegriffe. Dass aber eine solche Gemeinschaft errichtet werden solle, wird dadurch keineswegs gesagt.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 9f.
Nota. - Dass es, wenn es ein freies/vernünftiges Wesen gibt, derer mehrere geben muss, ist im Begriff des frei- en/vernünftigen Wesens enthalten. Aber dass sie nebeneinander und gar miteinander leben, ist es nicht. Man kann es wollen und kann es nicht wollen. Wenn man es aber will, ist es nur auf der Grundlage des Rechts mög- lich.
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Dieses ist die Herleitung einer rechtlich verfassten Gemeinschaft aus dem Naturrecht. So gelangen wir bis zum hypothetischen Begriff des Rechts. Die reell verfassten, nämlich politisch konstituierten Gemeinschaften, mit denen es Fichte tatsächlich zu tun hatte, waren nicht rechtlich verfasst; sondern beruhten auf ständischen Privi- legien und fürstlicher Willkür. Aber sie waren da, es gab sie wirklich.
Wollte man nun ihre Bürger als vernünftige Wesen auffassen, müsste man diese Gemeinwesen nach rechtlichen Maßstäben umorganisieren. Dass eine Gemeinschaft von Freien und Gleichen notwengig ist, kann die Wissen- schaftslehre aus ihren eigenen Voraussetzungen nicht deduzieren. Doch wie eine reelle Gemeinschaft beschaf- fen sein muss, wenn sie eine Gemeinschaft von vernünftigen Wesen sein soll, das kann sie deduzieren. Und dass es sich um vernünftige Wesen handeln muss, hat sie schon demonstriert.
Doch bleibt es dabei: Das Naturrecht ist ein künstlicher Fremdkörper, der willkürlich von außen an die histo- risch gewachsenen Gemeinschaften als Maß herangetragen wird. Es wird ein Bruch postuliert.
JE
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