Donnerstag, 31. Januar 2019

Woran erkennt man die Vernünftigkeit eines Begriffs?


Man hat mit Recht die Frage erhoben: Welche Wirkungen sind nur durch eine vernünftige Ursache zu erklären? Die / Antwort: solche, denen notwendig ein Begriff von ihnen selbst vorhergehen muss, ist wahr, aber nicht hinreichend, denn es bleibt immer die höhere, ein wenig schwierigere Frage zu beantworten: Welches sind denn nun solche, von denen geurteilt werden muss, dass sie nur nach einem vorher entworfenen Begriffe möglich waren? 

Jede Wirkung kann, nachdem sie da ist, gar wohl begriffen werden, und das Mannigfaltige in ihr fügt sich un- ter die Einheit des Begriffs nur geschickter und glücklicher, je mehr der Beobachteer selbst Verstand hat. Dies ist nun eine Einheit, die der Beobachter selbst in das Mannigfaltige durch das, was Kant reflektierende Urteils- kraft nennt, hineingetragen hat; und es notwendig hineintragen muss, wenn für ihn überhaupt eine Wirkung dasein soll.

Aber wer bürgt ihm denn dafür, dass so, wie er jetzt das wirkliche Mannigfaltige unter den Begriff ordnet, vor der Wirkung vorher durch den Verstand die Begriffe des Mannigfaltigen, das er wahrnimmt, unter den Begriff der Einheit, die er sich denkt, untergeordnet gewesen seien - und was könnte ihn zu einer solchen Folgerung berechtigen?

Es muss sonach ein höherer Berechtigungsgrund angeführt werden können, oder der Schluss auf eine vernünf- tige Ursache ist überhaupt grundlos; und - im Vorbeigehen sei es gesagt - es wäre nach dem Zwangsgesetze der Vernunft sogar physisch unmöglich, ihn unrichtig zu gebrauchen, wenn er nicht in irgendeiner Sphäre der Er- kenntnis mit Recht gemacht würde, weil er dann gar nicht im vernünftigen Wesen vorhanden sein würde. 
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, 
SW Bd. III, S. 36f. 



Nota. - Das geht gegen das dogmatische System der Wolff-Baumgarten'schen Schule. Dort wurde aus dem Umstand, dass der Systematiker selber einen Begriff in das Mannigfaltige hineinbringen konnte, geschlossen, dass er 'an sich' schon darinnen gesteckt haben muss. Die unausgesprochene Voraussetzung: Die Welt ist die Konstruktion eines planenden Verstandes.

Es ist die Fiktion von der Zweckmäßigkeit der Welt - nicht als ein heuristisches Prinzip der empirische Forschung, sondern als metaphysische Erkenntnis. Dass allerdings dem Begriff ein Zweck zugrundeliegt, meinen auch sie; allerdings der Zweck des Schöpfers und nicht einer des erkennenwollenden Subjekts. Dass sie diesen Unterschied nicht machen, kennzeichnet sie eben als Dogmatiker.

Dass ich den abschließenden Halbsatz - 'im Vorbeigehen...' - nicht verstehe, gebe ich umstandslos zu.
JE 



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