Mittwoch, 2. Januar 2019

Kriterium des Wirklichen.

Caravaggio, Bekehrung Sauls

Indem das vernünftige Wesen handelt, wird es seines / Handelns sich nicht bewusst, denn es selbst ist ja sein Handeln und nichts anderes; das aber, dessen es sich bewusst wird, soll außerhalb dessen liegen, das sich be- wusst wird, also außerhsalb des Handelns; es soll Objekt, d. h. das Gegenteil des Handelns sein.

Das Ich wird nur desjenigen sich bewusst, was ihm in diesem Handeln und durch dieses Handeln (bloß und ledig- lich dadurch) entsteht. Und dieses ist das Objekt des Bewusstseins, oder das Ding. Ein anderes Ding gibt es für ein vernünftiges Wesen nicht, und da von einem Sein und von einem Dinge nur in Beziehung auf ein vernünf- tiges Wesen geredet werden kann, überhaupt nicht. Wer von einem andern Dinge redet, versteht sich selbst nicht.


Dieses in einem notwendigen Handeln Entstehende, wobei aber das Ich seines Handelns sich aus dem angezeig- ten Grunde nicht bewusst wird, erscheint selbst als notwendig, d. h. das Ich fühlt in der Darstellung desselben sich gezwungen. Dann sagt man, das Objekt habe Realität. Das Kriterium aller Realität ist das Gefühl, etwas so darstellen zu müssen, wie es dargestellt wird. Den Grund dieser Notwendigkeit haben wir gesehen; es muss so gehandelt werden, wenn das vernünftige Denken überhaupt als ein solches sein soll. Daher ist der Ausdruck unserer Überzeugung von der Realität der: So wahr ich lebe, so wahr ich bin, ist dieses oder jenes.
_____________________________________________________________
Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, 
SW Bd. III, S. 2f.    
 



Nota. - Ich hat kein Substrat: Wo hier von Ich die Rede ist, ist allein das vernüftige Wesen gemeint und nichts anderes. Nicht eine Seele, noch nicht ein Körper, noch nicht ein Zustand; dort mögen Willkür und Zufall herr- schen, aber nicht Notwendigkeit. Der Zwang, der hier gefühlt wird, ist keine physische Affektion, die auch an- ders ausfallen könnte, sondern ein Denk zwang - etwas anderes kann das 'vernünftige Wesen' gar nicht "fühlen".

Die Assimilation des Denkzwangs an das sinnliche Gefühl, die die Wissenschaftslehre in einem späteren Ka- pitel vornehmen wird, ist diskutabel. Worauf es dabei allerdings ankommt, ist in beiden Fällen die Stellung des Ich als ein Leidendes und nicht als ein Handelndes. In beiden Fällen ist dies das Kriterium der Realität. Wahrheit ist für die Wissenschaftslehre die Wahrhaftigkeit gegenüber dem Wechseln von Handeln und Leiden: Dies habe ich selbst getan, das ist mir widerfahren. Es wird sich finden: Dies ist mir widerfahren, als ich jenes getan habe. Mehr Objektivität gibt es nicht.
JE

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen